Perfider Mord und Milieustudie vom Feinsten

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fritzi27 Avatar

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Mit 1793 hat Niklas Natt och Dag sein Romandebüt gegeben und ist dabei gleich mit dem schwedischen Krimipreis ausgezeichnet worden. Sein Schreibstil ist zunächst ungewöhnlich, da weite Passagen des Buches im Präsens geschrieben sind – das ist ungewohnt, aber ich habe mich schnell und gut eingefunden.

Als historischer Krimi wird das Werk dargestellt. Ich finde, es ist weit mehr: als Milieu- und Gesellschaftsstudie würde ich es gerne bezeichnen, natürlich gewürzt mit kriminalistischen Elementen.

Natt och Dag schreibt und beschreibt bildhaft und lebendig – zu der Zeit, in dem wir uns mit der Handlung befinden, war wohl alles eher düster und voll Gewalt, roh und wild. Durch die detaillierten Beschreibungen macht der Autor eine Zeit lebendig, zu der es noch an vielem gefehlt hat: Es fehlt an der Kanalisation, es stinkt sozusagen zum Himmel – man glaubt es zu riechen, wenn man das Buch liest.

Die Reichen haben alles, die Armen nichts, sie werden ausgebeutet und ausgeblutet. Die Rechtsprechung ist ungerecht – Täter werden allzu schnell verurteilt, ohne dass ihre Schuld hinreichend bewiesen wäre. Die Strafen sind drakonisch – oft bezahlt ein Täter mit dem Leben und selbst die Hinrichtungen sind teils so dilettantisch in der Ausführung, dass der Verurteilte über Gebühr leiden muss.

Die Protagonisten sind interessant, keiner zu flach oder glatt – der Jurist Winge, der Kluge, Vernünftige, Gerechtigkeit Suchende, der dieser Zeit bereits weit voraus ist, indem er auch bei Tätern stets versucht, deren Schuld eindeutig zu beweisen, bevor sie verurteilt werden. Leider ist der noch nicht Dreißigjährige an Tuberkulose erkrankt und dies in einem Stadium, in dem ihm mit damaligen Mitteln nicht mehr zu helfen ist.

Er trifft auf den Kriegsveteranen Mickel Cardell, der im - aus seiner Sicht unsinnigen - letzten Krieg der Schweden einen Arm und viele Kameraden verlor. Darunter leidet er noch immer, ertränkt seine Gefühle im Branntwein und geht keiner Schlägerei aus dem Weg.

Diese beiden völlig unterschiedlichen Männer lernen einander kennen, indem der eine die verstümmelte Leiche birgt und der andere den Fall untersuchen soll. Solcherart zusammengeschweißt, entwickelt sich eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit, bei der sich beide Charaktere im Laufe der Handlung weiterentwickeln und gar eine Art von Freundschaft entsteht.

Eingeflochten in mehrere Nebenhandlungen und Nebenschauplätze lernt man das Stockholm des 18. Jahrhunderts kennen und weitere Personen werden zu wichtigen Hauptdarstellern. Alle haben ihre Berechtigung und tragen zum Fortgang der Handlung bei.

Ich finde interessant, wie der Autor den Mörder bzw. den, der einen anderen zu dem Mord zwingt, beschreibt. Er ist ein Opfer seiner Kindheit und seines Vaters, und gleichermaßen später ein Opfer seines eigenen Handelns. Interessant auch, was am Ende des Buches mit ihm geschieht und wie es dazu kam.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es ist bildgewaltig und spannend. Viele Szenen sind brutal, was aber in einem solchem Buch meines Erachtens seine Berechtigung hat.

Eine klare Leseempfehlung von mir für all diejenigen, die historische Romane und vielschichtige Protagonisten mögen.