Zeitreise

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solveig Avatar

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Gute alte Zeit? Niklas Natt och Dag belehrt uns in seinem historischen Kriminalroman eines besseren. Er verortet einen ungewöhnlichen Kriminalfall im Stockholm des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wo der bereits von der Tuberkulose gezeichnete, todkranke Jurist Cecil Winge den Auftrag erhält, die Identität eines schrecklich verstümmelten Toten und dessen Mörder zu finden. Ihm zur Seite steht der Kriegsveteran Jean Michael Cardell, der die Leiche aus dem Wasser des Fatburen gefischt hat.
Aus den Perspektiven mehrerer unterschiedlicher Personen (und ebenso verschiedener Lebensbedingungen) werden dem Leser nach und nach Details zum Hergang des Verbrechens geschildert, wobei das Mordmotiv erst am Ende der Geschichte enthüllt wird.
Der ausgezeichnet recherchierte geschichtliche Hintergrund, eigentlich nur als Setting gedacht, gerät für mein Empfinden zusehends in den Mittelpunkt; denn der Autor weiß die damaligen politischen Gegebenheiten, den Einfluss der französischen Revolution auf die Politik Schwedens und zeitgeschichtliche Milieustudien sehr plastisch miteinander zu verbinden. Dabei fühlt sich der Leser mitten ins Geschehen hineinversetzt. Die teilweise drastische Wortwahl, die schonungslosen, ungeschönten Schilderungen mit grausamen und unappetitlichen Details passen zu jener nicht gerade zimperlichen Zeit.
Dass der Krimianteil nicht unbedingt im Vordergrund steht, sondern in die Historie integriert wird, hat mir gut gefallen. Ebenso erscheinen die Charaktere, selbst von Krankheit und Leiden gezeichnet, authentisch. Eine klare Leseempfehlung für alle, die eine Lese-Zeitreise unternehmen wollen!