Bemerkenswertes Geschwistergespann

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Tilda studiert Mathematik und steht kurz vor ihrer Masterarbeit. Im Gegensatz zu ihren ehemaligen Mitschülern hat sie die (namenlose) Kleinstadt nach dem Abitur nicht verlassen, um ihre kleine Schwester Ida nicht mit der alkoholkranken Mutter alleine zu lassen. Als sie ein Angebot bekommt, in Berlin promovieren zu können, wagt sie erstmals, von einer Zukunft zu träumen. Und dann taucht auch noch Viktor auf, der Bruder eines ehemaligen Freundes.

Caroline Wahl hat mit Tilda und Ida ein sehr sympathisches Geschwistergespann geschaffen:
Tilda schafft sich innerhalb das Chaos, was ihr Elternhaus verursacht, eigene Strukturen, indem sie im örtlichen Schwimmbad fast täglich 22 Bahnen schwimmt. Neben der Uni jobbt sie in einem Supermarkt und kümmert sich um ihre kleine Schwester Ida. Ida ist erst 10 Jahre alt, sehr introvertiert und malt sehr gerne. Aber sie ist gewitzt und gegenüber Tilda nicht auf den Mund gefallen. Beide wünschen sich stabile Strukturen. Die Krankheit ihrer Mutter durchlaufen sie in Phasen, die beide anhand von kleinen Zeichen ablesen können.

Die Möglichkeit zu promovieren stellt Tilda vor das Problem, ihrer Verantwortung gegenüber Ida nicht gerecht werden zu können:

„Januar. 5 Monate. Ich hätte 5 Monate Zeit, um Ida vorzubereiten“ (S.52)

Die Vorbereitung für Ida will Tilda mit Filmen wie „Die Tribute von Panem“ sicherstellen und ich fand diese Idee sowohl witzig, kreativ, absurd und auch etwas traurig. Tilda sieht es aber als Ihre Aufgabe, dass sich die introvertierte Ida in der Welt behaupten kann.

Die Figur Viktor, die Tilda im Schwimmbad nach 5 Jahren wieder trifft, ermöglicht Tilda eine Abwechslung zwischen dem Alltagstrott zwischen Uni-Schwimmbad-Supermarkt und zuhause. Mir hat es gefallen, dass die Geschichte um Viktor etwas vielschichtiger ist und der Fokus des Buches eher in der Beziehung zwischen den beiden Schwestern als in einer Liebesgeschichte liegt.

Caroline Wahl ist mit „22 Bahnen“ ein sehr lesenswertes Debüt gelungen. Die Geschichte um Tilda und Ida hätte gerne noch ein paar Seiten länger sein können. Trotz des schweren Themas Alkoholismus ist „22 Bahnen“ kein trauriges Buch, der leichtfüssige Erzählweise um Tildas Leben folgt man sehr gerne.