Ein Buch über Privilegien

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Mit „22 Bahnen“ ist Caroline Wahl ein wirklich starkes Debüt gelungen. Im Fokus stehen dabei Privilegien und soziale Herkunft: Während Tildas Freunde längst in Amsterdam oder Berlin leben, wohnt Tilda zu dritt mit ihrer kleinen Schwester Ida und ihrer alkoholabhängigen Mutter in einer Kleinstadt. Um ihr Mathematikstudium finanzieren zu können, jobbt sie Vollzeit im Supermarkt und kümmert sich nebenbei noch um die Erziehung ihrer kleinen Schwester. Das allein hätte mir vermutlich schon als Storyline gereicht und vielleicht liegt es auch an der Tatsache, dass Liebesgeschichten nicht mein bevorzugtes Genre sind, aber den Charakter des Viktors hätte es meiner Meinung nach nicht in diesem Umfang gebraucht. Der Ausgang des Buches kam demnach auch nicht unbedingt überraschend für mich.
Auch könnte ich mir vorstellen, dass der Schreibstil nicht für jede und jeden funktioniert, da die Konversationen einen eher ungewöhnlichen Stil verfolgen:

„Anna: Kommst du heute Abend mit zum Science-Slam?
Ich: Nee, hab schon Pläne, sorry.
Anna: Was denn für Pläne?
Ich: Schwimmbad.“ (Zitat S. 17)

Mich hat dieser „Drehbuchstil“ allerdings sehr angesprochen und meinen Lesefluss auch keineswegs gestört. Ebenfalls positiv zu erwähnen ist, dass die Zahlenaffinität der Protagonistin auch zwischen den Zeilen deutlich wird. Diese Kleinigkeiten tragen für mich maßgeblich dazu bei, ob ich eine Verbindung zu den handelnden Personen aufbauen kann oder nicht. In diesem Fall ist das der Autorin auf jeden Fall gelungen.
Alles in allem hat mich das Buch gut unterhalten und ich bin nur so durch die Seiten geflogen, weswegen ich es auch guten Gewissens weiterempfehlen kann!