Ein etwas anderer Sommerroman
„Gestört werden wir nur durch den letzten Teil unserer Familie. Also eigentlich sind wir eine überwiegend intakte Familie. Zu 66,67 Prozent. Wir sind intakte Schwestern. Zu 100 Prozent.“
Ida und Tilda halten zusammen, Tilda sorgt für die jüngere Schwester, kümmert sich darum, beide über Wasser zu halten. Die Väter der beiden sind verschwunden, die gemeinsame Mutter liegt alkoholbenebelt auf dem Sofa. Während alle anderen aus der Jahrgangsstufe die Kleinstadt verlassen, beleibt Tilda dort. Ihre schüchterne Schwester kann sie nicht alleine mit der Alkoholikerin lassen. Und so bestehen ihre Tage aus der Arbeit an der Supermarktkasse, dem Mathestudium und dem Schwimmbad. Im Sommer zieht sie hier regelmäßig ihre titelgebenden 22 Bahnen – ein kleines Stück Kontrolle im unsicheren Alltag.
Generell kontrolliert Tilda gerne mithilfe von Zahlen und Wahrscheinlichkeiten die Welt um sie herum. Für alles gibt es Prozente und Zählungen. Wie oft die Mutter die Brotscheibe kaut wird genauso gezählt wie ihre Versuche, trocken zu werden. Das geht so weit, dass alle Zahlwörter im Roman als Ziffern geschrieben werden. An die Schreibweise 1-mal gewöhnt man sich also besser. In diesem Detail zeigt sich die Sprachkunst der Debüt-Autorin Caroline Wahl. Auf den ersten Blick wirkt die Romansprache eher schlicht. So beginnt die Handlung mit einer Aufzählung von Supermarktartikeln auf einem Kassenband. Auch Protagonistin Tilda spricht eher direkt und ohne Schnörkel. Man könnte meinen, wieder so eines der problemorientierten Bücher über junge Frauen zu lesen, in dem die Sprache zu Gunsten der Realität in den Hintergrund rückt. Das ist in „22 Bahnen“ aber keinesfalls zutreffend.
Wahls Sprachbilder kommen zunächst versteckt daher. Die Erzählkunst liegt im Schildern alltäglicher Situationen, die durch die Wiederholungen (über den Roman verteilt) ganz poetisch werden. Die Metaphern findet man in den Gemälden der kleinen Schwester, die den Leser einladen, viele Parallelen zwischen der Handlung und dem Dargestellten zu ziehen. (Hier ist der Interpretationshinweis am Ende vielleicht ein wenig zu deutlich ausgefallen.) Je mehr man auf Kleinigkeiten achtet, desto mehr kleine literarische Diamanten findet man in dem Text.
Sprachlich, inhaltlich und in der Gestaltung der Figuren kann „22 Bahnen“ überzeugen. Die Geschichte der Halbgeschwister mit der Alkoholikermutter wird ohne die gängigen Klischees und ohne das Gefühl von Sozialtourismus erzählt. Stattdessen wird die Geschichte einer beeindruckend starken jungen Frau erzählt. Mir hat das sehr gefallen. Den Namen Caroline Wahl sollte man sich merken.
Ida und Tilda halten zusammen, Tilda sorgt für die jüngere Schwester, kümmert sich darum, beide über Wasser zu halten. Die Väter der beiden sind verschwunden, die gemeinsame Mutter liegt alkoholbenebelt auf dem Sofa. Während alle anderen aus der Jahrgangsstufe die Kleinstadt verlassen, beleibt Tilda dort. Ihre schüchterne Schwester kann sie nicht alleine mit der Alkoholikerin lassen. Und so bestehen ihre Tage aus der Arbeit an der Supermarktkasse, dem Mathestudium und dem Schwimmbad. Im Sommer zieht sie hier regelmäßig ihre titelgebenden 22 Bahnen – ein kleines Stück Kontrolle im unsicheren Alltag.
Generell kontrolliert Tilda gerne mithilfe von Zahlen und Wahrscheinlichkeiten die Welt um sie herum. Für alles gibt es Prozente und Zählungen. Wie oft die Mutter die Brotscheibe kaut wird genauso gezählt wie ihre Versuche, trocken zu werden. Das geht so weit, dass alle Zahlwörter im Roman als Ziffern geschrieben werden. An die Schreibweise 1-mal gewöhnt man sich also besser. In diesem Detail zeigt sich die Sprachkunst der Debüt-Autorin Caroline Wahl. Auf den ersten Blick wirkt die Romansprache eher schlicht. So beginnt die Handlung mit einer Aufzählung von Supermarktartikeln auf einem Kassenband. Auch Protagonistin Tilda spricht eher direkt und ohne Schnörkel. Man könnte meinen, wieder so eines der problemorientierten Bücher über junge Frauen zu lesen, in dem die Sprache zu Gunsten der Realität in den Hintergrund rückt. Das ist in „22 Bahnen“ aber keinesfalls zutreffend.
Wahls Sprachbilder kommen zunächst versteckt daher. Die Erzählkunst liegt im Schildern alltäglicher Situationen, die durch die Wiederholungen (über den Roman verteilt) ganz poetisch werden. Die Metaphern findet man in den Gemälden der kleinen Schwester, die den Leser einladen, viele Parallelen zwischen der Handlung und dem Dargestellten zu ziehen. (Hier ist der Interpretationshinweis am Ende vielleicht ein wenig zu deutlich ausgefallen.) Je mehr man auf Kleinigkeiten achtet, desto mehr kleine literarische Diamanten findet man in dem Text.
Sprachlich, inhaltlich und in der Gestaltung der Figuren kann „22 Bahnen“ überzeugen. Die Geschichte der Halbgeschwister mit der Alkoholikermutter wird ohne die gängigen Klischees und ohne das Gefühl von Sozialtourismus erzählt. Stattdessen wird die Geschichte einer beeindruckend starken jungen Frau erzählt. Mir hat das sehr gefallen. Den Namen Caroline Wahl sollte man sich merken.