Spagat zwischen Selbstbestimmung und Geschwisterliebe

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aischa Avatar

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Die erst 28jährige Germanistin Caroline Wahl hat mich mit ihrem Romandebüt sehr beeindruckt und bewegt. Sie erzählt die Geschichte der jungen Tilda, die Erstaunliches leistet: Sie studiert Mathematik und jobbt regelmäßig an der Supermarktkasse, nicht nur, um ihr Studium zu finanzieren, sondern auch, um ihrer achtjährigen Halbschwester ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen. Die Väter haben sich längst aus dem Staub gemacht, die Mutter der beiden ist nicht in der Lage (oder willens?), sich um ihre Töchter zu kümmern. Im Gegenteil, betrunken wird sie zur gewalttätigen Furie, vor der die jüngste nicht immer rechtzeitig fliehen kann.

Als wäre das nicht schon genug Last auf Tildas Schultern bekommt sie auch noch eine Promotionsstelle angeboten, für die sie wegziehen müsste. Was tun? Die eigene Karriere verfolgen, endlich der familiären Hölle entkommen, aber die kleine Schwester eben dort zurück lassen? Neben diesem Dilemma spinnt Wahl einen weiteren spannenden Handlungsfaden, rund um den tragischen Unfalltod eines Freundes von Tilda. Und außerdem darf man sich als Leser*in auf eine völlig kitschbefreite Liebesgeschichte freuen.

Caroline Wahl schreibt knapp und dennoch präzise, scharf und bissig, aber auch Zärtlichkeit hat ihren Platz. Besonders die Dialoge schaffen Authentizität. Ein wirklich berührender Roman. Da verzeihe ich sogar die seltsame Marotte, sämtliche Zahlen, selbst in Zusammensetzungen, als Ziffern zu schreiben.