Ein kluger Roman voller Weisheiten

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christina19 Avatar

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Mit „25 letzte Sommer“ ist Stephan Schäfer ein kluger Roman gelungen. Er erzählt von einem Mittvierziger, der die Arbeit, Anerkennung und das Geldverdienen in den Mittelpunkt seines Lebens gestellt hat. Getrieben von den Erwartungen anderer sowie den eigenen hat er schleichend immer mehr Pflichten gegen immer weniger Freiheiten eingetauscht. So zieht er sich am Ende einer vollen Arbeitswoche ohne seine Familie in das gemeinsame Wochenendhaus auf dem Land zurück. Dort trifft er beim morgendlichen Joggen auf Karl, dessen Leben nicht gegensätzlicher sein könnte. In langen Gesprächen lernen die beiden Männer sich kennen und spüren rasch eine Verbundenheit zueinander. Der Erzähler beginnt, seinen Lebensstil zu überdenken und erkennt, worauf es wirklich ankommt.

Mit dem Ich-Erzähler, dessen Namen man im Verlauf des Romans nicht erfährt, hat der Autor eine Figur geschaffen, in der sich wohl viele Menschen wiedererkennen können. „Irgendetwas ist immer.“ - Oft unter Druck und ständig gestresst bleiben die eigenen Interessen sowie das eigene Wohlbefinden häufig auf der Strecke. Der Protagonist ist hier in unserer schnelllebigen Arbeitswelt absolut realistisch gezeichnet. Während er sich nun fragt, an welcher Stelle in seinem Leben er falsch abgebogen ist, um in diesen Strudel zu geraten, steht ihm mit Karl eine Figur entgegen, die im völligen Kontrast dazu lebt. Der Mittsechziger wirkt in sich ruhend, zufrieden und glücklich. Der Erzähler ist überrascht davon, wie wohl er sich bei Karl fühlt und wie schnell er sich ihm gegenüber öffnen kann. Die Zeit vergeht in der Gegenwart des Älteren sehr schnell, sodass der Erzähler seine Verpflichtungen für eine Weile vergessen kann. Auch mir erging es beim Lesen so, dass sich Karls gelassene Art auf mich übertragen hat, ich zur Ruhe kommen konnte und das Buch sehr genossen habe.
An mehreren Stellen des Romans habe ich gestoppt, um die Worte auf mich wirken zu lassen. In den Seiten stecken einige Fragen und Weisheiten, die ihren Raum und ihre Zeit brauchen, um ihren tiefgründigen Inhalt zu entfalten: „Warum hab ich mir selbst nicht oft genug erlaubt, einfach das zu tun, was mir guttut? Und warum hab ich nicht mehr im Leben gewagt?“ (S. 33, 34) Ich habe noch tagelang über so manche Textstelle nachgedacht und hoffe, die Worte selbst verinnerlichen zu können. Ein absolut empfehlenswerter Roman, den ich auf jeden Fall noch einmal lesen möchte!