Das Glück der keinen Dinge

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hasirasi2 Avatar

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Clementine ist eine erfolgreiche Künstlerin und leidet seit Jahren unter schlimmsten Depressionen. Nachdem sie alle Behandlungsmethoden und Medikamente ausprobiert hat, beschließt sie, ihr Leben in genau 30 Tagen zu beenden. Da sie kein Chaos hinterlassen möchte, plant sie alles ganz genau durch. Sie will ein neues Zuhause für ihren Kater suchen, sich mit ihrem Exmann aussprechen, ein letztes großes Bild malen, endlich ihren Vater finden (der die Familien verlassen hat, als sie 8 war), sich ein Medikament besorgen, mit dem sie „es“ tun kann (also friedlich sterben) und die letzten Tage genießen, indem sie nur noch Dinge macht, die sie wirklich möchte.

Das Buch beginnt mit einem großen Knall. Clementine feuert ihren Psychiater und ihre Assistentin, bietet ihren Kater im Internet an und wirft alle Medikamente ins Klo: „Irgendwo in der Bucht würde ein Schwarm Fische jetzt eine Überdosis Neuroleptika abbekommen. Unter keinen Umständen sollten sie jetzt Maschinen bedienen.“

Als nächstes sagt sie ihre geplante Ausstellung ab (für so was hat sie ja nun wirklich keine Zeit mehr) und besorgt sich das Medikament. Ihren Freunden erzählt sie, sie hätte einen inoperablen Hirntumor und alle Behandlungen abgebrochen.

Das Buch ist traurig und lustig zu gleich. In jedem Kapitel wird ein Tag bis zu ihrem Freitod geschildert (sozusagen als Countdown). Sie hat schöne Tage. Sie schmeckt und riecht endlich wieder, jetzt wo sie keine Medikamente mehr nimmt. Sie spricht sich mit ihrem Exmann und Freunden aus. Sie hat endlich wieder Sex und sie genießt einfach.
Und sie hat schreckliche Tage, an denen sie es nicht aus dem Bett schafft oder einfach nur in der Badewanne liegt.

Es ist das Glück der kleinen Dinge, das in diesem Buch geschildert wird. Wie gut ein Wein oder Essen schmecken, oder wie wichtig Freunde sind. Wie schön es ist, ein neues Bild zu erschaffen oder das einer Konkurrentin zu zerstören.

Mir gefällt der trockene Humor der Autorin unheimlich gut: „An den Wänden hingen Porträtaufnahmen von Trudy und ihrem zweiten Mann Bob. Seit ihrer Hochzeit hatten sie sich aller paar Jahre ablichten lassen, und so gab es jetzt ein Dutzend Fotos in chronologischer Reihenfolge, wie ein Daumenkino des Alterns.“
Oder diese Stelle: "Glückwunsch ... Ihr Flug heute berechtigt sie als Premium-Kundin zu 10.000 Bonusmeilen". "Toll. Kann ich auch einen Fensterplatz bekommen?" "Nein. Tut mir leid."

Ashley Ream hat eine ganz wundervolle, leichte Art, mit dem Thema Freitod und Abschied umzugehen und versteht es, immer wieder unerwartete Wendungen einzubauen. Bis zuletzt war ich mir nicht sicher, ob Clementine ihren Plan wirklich durchzieht, denn das Leben kommt ihr immer wieder dazwischen. Ich habe mich mehrfach um entschieden.

Ich fand „30 Tage und ein ganzes Leben“ wunderschön und es erhält von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

PS: Das Ende des Buches wartet übrigens mit einem 30 Tage Kalender auf: „Aufleben statt Aufgeben“. Dort gibt es jeden Tag eine Aufgabe, die einen selbst oder jemand anderen glücklich macht. Eine sehr schöne Idee und tolle Tipps.