43 Gründe, warum es aus ist

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jiskett Avatar

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Originaltitel: Why We Broke Up (2011)
empfohlenes Lesealter: ab 14
368 Seiten

Inhalt (Buchrücken) :
Das ist der Karton, Ed. Da ist alles drin. Die beiden Kronkorken, die Kinokarte für "Greta in der Wildnis", eine Nachricht von dir, die Streichholzschachtel, eine unentwickelte Filmrolle, dein Winkelmesser, der geklaute Zuckerstreuer, das Spielzeugauto, Joans Filmgeschichte, die hässlichen Ohrringe, der Kamm aus dem Motel und der ganze Rest. Das ist sie, Ed. Die ganze Geschichte, warum es aus ist.
Ein außergewöhnlich gestaltetes und erzähltes Buch: Die Chronik einer gescheiterten Liebe, von der ersten Begegnung bis zur Trennung - erzählt anhand von 43 Objekten.

Der Autor / die Illustratorin / die Übersetzerin (dem Buch entnommen) :
Der Autor Daniel Handler, 1970 in San Francisco geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter US-Schriftsteller und Drehbuchautor mit deutschen Wurzeln. Seine Kinder- und Jugendbücher verkauften sich weltweit 65 Millionen Mal. In der Highschool wurde er mindestens dreimal sitzengelassen.
Die Illustratorin Maria Kalman, 1949 in Israel geboren, ist eine international renommierte Illustratorin, Autorin, freie Künstlerin und Designerin, die auch als Kolumnistin für die New York Times und den New Yorker arbeitet. In der Highschool brach ihr erst ein Junge das Herz, der wie Bob Dylan aussah, dann einer Leonard Cohen.
Die Übersetzerin Birgitt Kollmann, 1953 in Duisburg geboren, studierte Englisch, Spanisch und Schwedisch. Sie war mehrfach für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Aufbau + Stil:
Im Prinzip ist das ganze Buch im Fließtext geschrieben. Es gibt keine direkte Kapiteleinteilung, sondern alles - von der ersten bis zur letzten Seite - ist eine Art Brief von Min an Ed, ihren Exfreund. Allerdings könnte man die Illustrationen der Gegenstände, die sie ihm zurückgibt, als Abtrennungen zwischen den einzelnen Sinnabschnitten verstehen.
Am Ende des Buches werden der Autor, die Illustratorin und die Übersetzerin erneut vorgestellt.
Im Brief selbst spricht Min(erva) Ed direkt mit "du" an. Dadurch wird das ganze um einiges persönlicher, als wenn ein unbeteiligter Erzähler über die Ereignisse berichten würde.

Meinung:
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich sehr froh bin, die Inhaltsangabe auf dem Schutzumschlag erst nach dem Beenden des Buches gelesen zu haben - denn sie nimmt quasi alles vorweg. Dass die beiden sich trennen würden, war ja bekannt, aber für mich war gerade der Weg dahin und nicht zuletzt der Grund interessant. Die Inhaltsangabe enthält aber bereits den ausschlaggebenden Grund für die Trennung, was ich ein starkes Stück finde. Allerdings muss ich sagen, dass die Geschichte vermutlich auch noch lesenswert ist, wenn man weiß, warum die beiden sich getrennt haben.
Der Titel des Buches ist ein wenig irreführend: es gibt keineswegs 43 Gründe, wieso es aus ist. Vielmehr ist es so, dass sie ihm 43 Gegenstände zurückgibt, die sie in ihrer Beziehung gesammelt hat. Das sind Gegenstände, mit denen man rechnet - wie Eintrittskarten für gemeinsam besuchte Veranstaltungen oder Geschenke, die er ihr gemacht hat - aber auch sehr ungewöhnliche Dinge wie eine Streichholzschachtel oder eine Filmrolle, die jedoch für die Beziehung der beiden Hauptcharaktere eine große Rolle spielen.

Die Geschichte ist recht schnell zusammengefasst: der Basketballer Ed verliebt sich in die unangepasste, kunstliebende Min, die ihren vollen Namen hasst und auch nichts für Basketball übrig hat, während er ihre Leidenschaft für alte Filme und Kaffee nicht verstehen kann.
Trotz dieser Gegensätze finden sie schnell zusammen und sind zunächst auch glücklich. Ihre Welten kollidieren schon früh, es gibt Probleme, Missverständnisse, Tränen - dennoch halten sie aneinander fest.
Nach etwa einem Monat aber zerbricht die Beziehung. Um über ihr gebrochenes Herz hinwegzukommen und endlich bereit für etwas neues zu sein, schreibt Min Ed einen Brief...

Der Handlungsstrang ist nicht frei von Klischees. Ein Sportler verliebt sich in ein Mädchen, das so gar nicht in seine Welt passt. Sie wird als intellektuell bezeichnet, kann gar nichts mit Sport anfangen, aber dennoch versucht sie, sich in seine Welt zu integrieren. Natürlich bricht er ihr im Endeffekt das Herz und zwar durch etwas, das wohl das billigste aller Mittel ist - er betrügt sie. Dass dies der eigentliche Trennungsgrund ist, hat mich sehr überrascht, von daher war es eine "gute Wendung", aber... ich weiß nicht, es hat mir irgendwie nicht gefallen. So wirkt es, als würden alle Sportler Mädchen betrügen. Ich hatte damit gerechnet, dass sie einfach gemerkt haben, wie unterschiedlich sie sind - vielleicht, dass auch irgendwas passiert, dass ihnen die Augen öffnet. Dadurch wäre Mins die ganze Zeit spürbare Wut auf ihn zwar nicht nachvollziehbar gewesen, aber niemand erwartet, dass Menschen, denen das Herz gebrochen wurde, rational sind.
So ist zwar klar, wieso Min sauer auf ihn ist, aber dennoch kam es aus dem Nichts. Dies liegt zwar daran, dass Min uns die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt und sie zu blind war, um eventuelle Anzeichen zu sehen - für mich hat es aber nicht gepasst, es machte keinen Sinn, dass er einerseits so liebevoll mit Min umgeht, andererseits aber ohne Scheu fremdgeht und erklärt "Wir hatten nie gesagt, dass wir uns nicht mit anderen treffen". Der Autor hat hier meiner Meinung nach zu sehr aus der Klischeekiste geschöpft: ein Sportler, der säuft, ein Mädchen nach dem anderen hat und dann auch noch betrügt... es mag solche Jungs geben, aber ich habe zu viel davon gelesen.
Ein wenig schade fand ich auch, was der Autor aus der Beziehung von Min und ihrem besten Freund gemacht hat. Es hätte nicht sein müssen...

Abgesehen davon hat mir die Geschichte aber gut gefallen.
Der Erzählstil ist recht ausschweifend, teilweise ziehen sich Sätze voller Beschreibungen endlos hin. Zudem schafft es Handler, die Szenerien so zu beschreiben, dass man glaubt, dabei zu stehen. Ich hatte ein kleines Problem damit, mir vorzustellen, dass eine 16-jährige solch einen Brief schreiben würde, aber zur Geschichte hat der Stil wunderbar gepasst.
Auch Min als Hauptperson ist sehr sympathisch. Ihr Gefühlsleben wirkt sehr authentisch, ihre Handlungen sind nachvollziehbar und man spürt, dass sie Ed sehr geliebt hat und dass sie immer noch viel an ihn denken muss. Ihre Freunde sind ebenfalls recht sympathisch, auch wenn man von ihnen kaum etwas mitbekommt - was der Tatsache geschuldet ist, dass sie ja mit ihrem Exfreund abrechnet.

Die Liebesgeschichte selbst war auf der einen Seite sehr süß, auf der anderen wollte man die beiden die ganze Zeit auseinander zerren.
Süß war, wie sie, trotz aller Gegensätze, einen gemeinsamen Weg fanden, auch wenn es nur für kurze Zeit war. Auch, wie er beispielsweise für sie Kaffee probierte oder die Momente, in denen man spüren konnte, dass ihre Liebe durchaus real war, haben gezeigt, dass die beiden eine Chance hätten haben können.
Daran gehindert wurden sie aber durch die verschiedenen Welten, in denen sie leben. Auch wenn ich diese Darstellung etwas klischeemäßig fand, sie WAREN sehr verschieden und beide haben Charakterzüge an sich, die den anderen abgestoßen haben. Vor allem, wenn Ed wieder in ein Fettnäpfchen trat, habe ich mich gefragt, wieso sie noch mit ihm zusammen bleibt, aber das war wohl die berühmte rosarote Brille.
Was man definitiv sagen kann: die ganze Geschichte arbeitet auf die Trennung hin. Am Anfang merkt man es noch nicht so sehr, aber alles, was die beiden miteinander getan haben, hängt im Endeffekt mit ihrem Scheitern zusammen.
Sehr gut fand ich aber, dass es kein Happy End gibt. Wir erfahren nicht wirklich, wie es weiter geht - es geht wirklich nur um den Brief an Ed und die beendete Beziehung. Wie es ihm geht, erfahren wir nicht. Zu diesem Buch hätte ein kitschiges Möchtegern-Happy End auch nicht gepasst.

Lobend muss ich noch erwähnen, dass die Illustrationen wirklich sehr, sehr schön sind und die Geschichte gut veranschaulichen. Fast ist es so, als würde man selbst den Karton auspacken und ergründen, wieso die Beziehung zerbrochen ist...

Kurz gesagt ist "43 Gründe, warum es AUS ist" ein schönes Jugendbuch. Die Thematik ist ernst und nicht fröhlich, dennoch schafft es der Autor, in der Liebegeschichte einige schöne Momente einzubauen, sodass man stellenweise hofft, die Geschichte würde doch noch ein gutes Ende nehmen. Ed steht zwar teilweise wie der letzte Idiot dar und auch Mins Verhalten ist nicht immer einwandfrei, aber beide Protagonisten sind die meiste Zeit über sympathisch - auch wenn Ed etwas blass bleibt, da wir nur erfahren, wie Min ihn wahrgenommen hat und wie sie über ihn denkt.
Zudem kann man das Buch wirklich sehr schnell lesen, trotz der teilweise langen Sätze. Die Illustrationen unterstreichen die Geschichte und machen den Brief, der von Liebe und Schmerz spricht, um einiges realer.
Im Großen und Ganzen hat es mir sehr gut gefallen.