Rasanter Krimi auf den Straßen von San Francisco

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
ron_robert_rosenberg Avatar

Von

Mit „Bis in alle Endlichkeit“ legt James Kestrel (gelistet über den Herausgeber Thomas Wörtche) einen weiteren Kriminalroman nach dem furiosen spannungsgeladenen Schicksalsroman „Fünf Winter“ nach. Oder doch eher vor? Schließlich schrieb er diesen vor dem erfolgreichen „Fünf Winter“, jedoch erschien er in Deutschland später, aber das marktwirtschaftlich geprägte Phänomen passiert ja öfter, sobald ein/e Autor*in irgendwann einen durschlagenden Erfolg hat. Bestes Beispiel ist für mich Jussi Adler Olsen, dessen durchschnittlichen Erstlingswerke rasch nach seiner Erfolgsreihe rund um das Sonderdezernat Q mit Carl Morck nachproduziert und für den internationalen Markt veröffentlicht wurden. Das gleichartige Design und die fortgeführte Verkaufsstrategie der Kestrel-Romane ist sicherlich kein Zufall, obwohl es sich um verschiedene Genre handelt.
„Bis in alle Endlichkeit“ beginnt sehr vielversprechend. Eine leblose, rätselhafte Frau, die von einem Dach auf einen Rolls Royce gesprungen sein soll. Privatdetektiv Lee Crowe, der am Ende Ambitionen für einen Serienermittler äußert, scheint aus den Tiefen längst vergangener Zeiten, dem Krimi noir mit schillernden und trostlosen Figuren wie Philip Marlowe oder Sam Spade, entsprungen zu sein. Hier empfiehlt sich der Autor persönlich, was gemessen an der Wettbewerbsfähigkeit dieses Raubeins abzuwarten bleibt. Crowe ist hier ein oft zitierter Prototyp eines illusionslosen Schnüfflers. Ein Typus, den ich mag, allerdings bevorzuge ich die Originale. Zwar dienen die heutigen Urenkel der alkoholkranken, verarmten, geprügelten Underdogs auch in diesen Tagen als letztes Bollwerk gegen ein korruptes System – ohne Skrupel, aber mit den besten Absichten. Dennoch schimmern sie nur als farblose Abziehbilder aus einer Ära, als Los Angeles noch vor Chicago als die moralisch heruntergekommenste Stadt der USA galt. Kestrel knüpft hier nahtlos an und deckt ein Komplott auf, in dem es um den Stein der Weisen geht: dem Jungbrunnen der Menschheit. Reiche können sich das ewige Leben erkaufen. Eine Story, die im Verlauf wie aus einem James-Bond-Film zu stammen scheint. Leider wird im Klappentext und in den Werbezitaten einiges an Plotelementen verraten, die erst im letzten Drittel des Buches an Relevanz gewinnen. Das ist sehr schade, raubt es doch dem Leser einige Überraschungsmomente, die auf Kosten der Spannungskurve gehen.
Doch zurück zum Anfang: Während der Kriminalroman zunächst intelligente Spannung und wortverspielte Geistesblitze verspricht, verflacht die Story mit zunehmender Dramaturgie bis hin zur Auflösung, bei der neben nackter und übertriebener Gewalt auch eine Mega-Explosion nicht fehlen darf. Eher ein Drehbuch für einen typischen Actionknaller mit ähnlichen Plots rund um verrückte Professoren und Oberschurken. Vielleicht liegt es an der Nähe zu Hollywood, wer weiß. Schade ist das trotzdem. Positiv hervorzuheben sind die vielen regionalen Bezüge, sowohl zu San Francisco als auch hinunter zu der gesamten Südwestküste der USA, die ich selbst erlebte und daher sehr gut nachvollziehen konnte. So gesehen ist das Buch auch ein klassischer Regionalkrimi rund um S.F. und L.A.‘s Küsten und Täler und damit auch als Reiselektüre ein aufschlussreicher Ausflug.
Wer schnelle Action, etwas Justiz-Thrill, einen neowissenschaftlichen Reißer im Gewand eines Philip Marlowe sucht, der ist hier bestens beraten. Da die Story trotz der Originalität der Todesursache an etwas Realitätssinn leidet, schätze ich das Buch als gelungen, aber nicht als überragend ein.