Atmosphärisches Drama

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In Paula Hawkins' Roman „Die blaue Stunde“ wird der Fund eines menschlichen Knochens in einem Kunstwerk der verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman zum Ausgangspunkt einer düsteren Spurensuche. Der Kurator James Becker reist auf die abgelegene Gezeiteninsel Eiris, um das Rätsel um den Knochen zu lösen. Doch die Geheimnisse der Insel und ihrer Bewohner erweisen sich als tiefer, als zunächst vermutet.
Besonders gelungen ist die Atmosphäre des Buches. Die isolierte, von den Gezeiten abhängige Insel und die wechselnden Perspektiven, ergänzt durch Tagebucheinträge der Künstlerin, erschaffen eine lebendige Welt auf mehreren Zeitebenen. Diese geschickt zusammengeführten Elemente machen den Roman zu einem abwechslungsreichen und vielschichtigen Erlebnis.
Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Spannung in der Mitte des Buches nachließ. Oft rückt der eigentliche Krimiplot in den Hintergrund, und stattdessen stehen zwischenmenschliche Konflikte und Eigenheiten der Charaktere im Fokus. Das verleiht dem Buch zwar Tiefgang, nimmt aber auch Tempo aus der Geschichte. Erst gegen Ende zieht die Handlung wieder an und sorgt für ein intensives, wenn auch etwas vorhersehbares Ende.
„Die blaue Stunde“ lebt von seiner dichten Atmosphäre und den facettenreichen Figuren. Es ist weniger ein klassischer Krimi als ein atmosphärisches Drama, das viel Wert auf Zwischentöne und feine Nuancen legt. Wer sich auf diese ruhige, kunstvoll inszenierte Erzählweise einlässt, wird mit einem besonderen Leseerlebnis belohnt.