ein starkes Buch über starke Frauen

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sophia60 Avatar

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Der Roman "Ab heute heiße ich Margo" von Cora Stephan hat mich sehr begeistert ! Die Erwartungen, die ich nach der Lektüre der Leseprobe hatte wurden weit übertroffen.

Das Buch bietet alles , was einen guten Roman auszeichnen sollte: die Handlung entführt in fremde Welten, die für den Leser sonst nicht erlebbar wären; die handelnden Personen bieten viele Identifikationsmöglichkeiten; gut lesbare Sprache, eine klare Gliederung des Inhaltes; große Spannung und unvorhersehbare Wendungen im Handlungsablauf machen das Lesen zum Vergnügen!

Der 640 Seiten starke Roman ist in drei "Bücher" unterteilt: Buch 1 - Im Dritten Reich (1936 bis 1945), Buch 2 - Deutschland West, Deutschland Ost (1945 bis 1989) und Buch 3 - Nach dem Mauerfall (1989 bis 2000)

Diese sind Kapitel unterteilt , die jeweils von einer Hauptperson erzählen, so dass hier die einzelnen Charaktere deutlich voneinander getrennt beschrieben werden und keine Verwechslungsgefahr besteht. Im Anhang des Buches ist noch ein Personenverzeichnis angeführt, aber wirklich notwendig ist dieses meines Erachtens nicht; die handelnden Personen sind immer klar im Lesezusammenhang erkennbar.

Im ersten Buch lernen wir die junge Margo kennen, die dem vom tyrannischen Vater geprägten Elternhaus zu entfliehen versucht; eindrucksvoll beschreibt die Autorin das Klima in den Vorkriegsjahren, die verschiedenen Haltungen zum Naziregime und den Alltag der "kleinen Leute".
Margos weiteres Schicksal, das Ihrer Familie , ihres Verlobten und späteren Ehemannes Henri während der schrecklichen Kriegsjahre, Flucht , Verfolgung , der Verlust ihres Kindes wird eindrucksvoll und lebhaft geschildert. Eine weitere Hauptperson ist Helene, ein junge Photographin die, da sie politisch aktiv und kritisch ist, von der Gestapo verhaftet wird und im Konzentrationslager Buchenwald eine schreckliche Zeit verbringen muß. Die Wege von Margo und Helene, sowie die des von beiden Frauen geliebten Adligen Alard von Sedlitz kreuzen sich immer wieder schicksalhaft und für den Leser unvorhersehbar und spannend erzählt.

Das zweite Buch erzählt vom Leben in der Nachkriegszeit: Margo und Henri erleben in der BRD das Wirtschaftswunder; Margo als emanzipierte, durchsetzungsfähige auf hohem Posten in einem Betrieb arbeitende Frau, die viele Affairen und wenig Zeit für ihre Tochter Leonore hat. Helene lebt in der DDR als Stasimitarbeiterin mit linientreu erzogener Tochter Clara und wird von vielen Intrigen und Zwängen durch hohe Stasifunktionäre desillusioniert; auch hier wird der politische Alltag in der DDR glaubhaft von Cora Stephan dargestellt.
Interessant sind auch die weiteren schicksalhaften Verwicklungen der immer wieder aufeinandertreffenden Frauen Helene und Margo, aber hier soll nicht zu viel verraten werden.

Im dritten Buch, in der Neuzeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands handelnd, wird das Leben der nun alten Hauptpersonen und deren Töchter und Enkel beschrieben. Die diversen Handlungsstränge aus den vorherigen Buchteilen werden zusammengeführt und abgerundet. Hierbei trägt die Autorin meiner Meinung nach etwas "zu dick auf". Bisher waren die Schicksale sehr glaubwürdig beschrieben, aber das Wiedersehen aller Protagonisten und die "Märchenhochzeit" am Schluss mit "Happy End" nimmt dem Buch leider etwas von seiner Glaubwürdigkeit ! Vielleicht sollte die Autorin das letzte Buch noch einmal kritisch überarbeiten; es muss nicht jeder Handlungsstrang ein definiertes "Ende" haben; so ist das ware Leben auch nicht !

Die beiden ersten Buchteile haben mir ausgesprochen gut gefallen. Daher gebe ich gerne, trotz des schwächeren letzten Teils, 5 Bewertungssterne !