Kaleidoskop deutscher Geschichte

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regenprinz Avatar

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Die Handlung in Cora Stephans Roman "Ab heute heiße ich Margo" umfasst einen großen Zeitraum deutscher Geschichte und spiegelt daher vieles von dem wider, was das 20. Jahrhundert unvergessen macht: Der zweite Weltkrieg, die Zeit des Wiederaufbaus, die Teilung Deutschlands und den Kalten Krieg, sowie die Wiedervereinigung von BRD und DDR und die ersten Jahre danach.
Ein Epos, in dem keine Familiendynastie im MIttelpunkt steht, sondern zwei Frauen, die sich im Stendal der späten 30-er Jahre zufällig in einem Photogeschäft kennenlernen. Margo stammt aus einfachen, beengten Verhältnissen und will arbeiten, um sich frei zu fühlen - ihr Wunsch ist so stark, dass sie sich damit sogar gegen ihren tyrannischen Vater behauptet. Ich hatte anfangs Mühe, mit Margos Charakter warm zu werden, weil sie so typisch für ihre Zeit dargestellt ist und vor allem ihre Wertschätzung für Hitler u.ä. aus heutiger Sicht entsprechend schwer zu akzeptieren fällt. Doch im Laufe der Geschichte und auch aufgrund Margos schlimmen Erlebnissen während der Kriegsjahre relativierte sich meine Sicht ebenso wie Margos Denken.
Helene, die junge Fotografin, die im spanischen Bürgerkrieg zwischen die Fronten geriet, taucht eine Weile in Stendal unter, doch lange ist sie dort nicht in Sicherheit - ihre Vergangenheit und ihre jüdischen Wurzeln sorgen dafür, dass sie ins KZ muss.
Ich möchte jetzt hier nicht den komplexen Inhalt des Romans wiedergeben, sondern lieber betonen, dass es mir gut gefallen hat, wie durchdacht die Figuren waren und wie spannend ihre Lebensgeschichten. Kurzzeitig waren sie in denselben Mann verliebt - den adligen Schlesier Alard von Sedlitz - und diese Tatsache sorgt für Missverständnisse mit schwerwiegenden Folgen.
Während Margo später zur Karrierefrau wird, die privat den genügsamen Ehemann Henri an der Seite hat und beruflich den eher draufgängerischen Firmenchef Jon, führt Helene in der DDR lange ein Leben, das von Verrat und dunklen Geheimnissen überschattet wird. Die Wege der beiden Frauen kreuzen sich wieder, ein böses intrigantes Spiel um Margos Tochter Emma bildet den Hintergrund, doch am Ende kommt alles anders als geplant. Das versöhnliche Ende des Romans hat mir ebenfalls gut gefallen. Die Hauptfiguren sind durch schwere Zeiten gegangen, haben Gräuel erlitten und manchmal Schreckliches durchgemacht, dabei aber mitunter selbst Schuld auf sich geladen. Doch die nächste Generation mit Jana und Max lebt und vielleicht stehen ihnen ja bessere Zeiten bevor.
Ein anschaulich erzählter, prallgefüllter Roman, ein Kaleidoskop der Zeit und der deutschen Geschichte, Figuren mit Stärken und Schwächen und Träumen, die man gut nachvollziehen kann. Die Vergangenheit wirkt authentisch dargestellt und wurde beim Lesen oft vor meinen Augen lebendig. Alle, die das Buch noch nicht gelesen haben, können sich auf spannende Unterhaltung freuen.