Zwischen den Welten

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Stendal im Winter 1936, Margarete Hegewald beschließt, kein Kind mehr zu sein und trennt sich von ihrem Faltenrock, den Kniestrümpfen und vor allem von ihren Zöpfen. Damit hat Margarete sinnbildlich einen alten Zopf abgeschnitten, sie rebelliert gegen das kleinbürgerliche Milieu, in dem sie aufwächst. Ihr Vater, ein kleiner Finanzbeamter und Mitglied der NSDAP tyrannisiert Margarete und ihre Schwester Gerda, vor allem aber die Mutter. Margarete führt Tagebuch, dem sie ihre geheimen Wünsche mitteilt. Dazu gehört auch, selbst Geld zu verdienen, dieser Wunsch erfüllt sich bald für Margarete. Sie beginnt eine Lehre im Büro des Foto-Ateliers Werner in Stendal. Margarete, die sich bald Margo nennt, lernt dort die Fotografin Helene kennen, der Beginn einer Freundschaft. Dennnoch vertreten beide gegensätzliche politische Ansichten, was ihr zukünftiges Leben prägen wird. Margo schließt weitere Bekanntschaften, dazu gehören Henri Seliger und der Diplomat Alard von Sedlitz. Sie heiratet Henri noch während des Krieges, die letzten Kriegswochen verbringt sie unter anderem auf dem schlesischen Gut Alards. Nach dem zweiten Weltkrieg bauen sich Margo und Henri eine Existenz in der BRD auf. Helene hat das KZ Buchenwald überlebt, wohnt in der DDR und arbeitet als Agentin für die Staatssicherheit. Während des kalten Krieges begegnen sich die Freundinnen von einst wieder, ihr Zusammentreffen steht unter keinem guten Stern. Und sie hüten ein Geheimnis, das in die Vergangenheit zurückreicht.

Cora Stephan ist eine faszinierenden Familiengeschichte gelungen, die ein Jahrhundert umfasst. Die Autorin brilliert mit einer spannenden Handlung, mitreißenden Dialogen und tollen Charakteren. Die Stärke des Romans liegt nicht zuletzt an den vielfältigen Protagonisten. Am meisten beeindruckt mich die lebendige Atmosphäre. Cora Stephan nimmt den Leser mit auf eine atemberaubende Zeitreise durch ein Deutschland verschiedener politischer Systeme. Die Autorin versteht es meisterhaft, die wechselseitige Geschichte Deutschlands aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und die Menschen mit ihren Hoffnungen, verlorenen Ideologien, Wünschen und Ängsten authentisch zu beschreiben. Sensibel verknüpft die Autorin die Schicksale ihrer Protagonisten mit den jeweiligen politischen Gegebenheiten. Im Vordergrund der hervorragend recherchierten Erzählung stehen Margo und Helene. Cora Stephan stellt Stärken und Schwächen der beiden Frauen heraus, beeindruckend ist auch das in Kursivschrift gehaltene Tagebuch Margos. Das Buch hat mich sehr beeindruckt und zum Nachdenken angeregt.