Bodenständiger Krimi, der sich gut lesen lässt

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annajo Avatar

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Es ist 1968 und ein junges Mädchen wird nackt und ermordet unter einer Matratze in einem Londoner Hinterhof gefunden. Der Fall geht an Detective Cathal Breen,der zunächst im Dunkeln tappt, da keiner das Mädchen zu kennen scheint. Er bekommt zudem mit Helen Tozer noch eine junge, motivierte Anwärterin zur Seite gestellt, die unkonventionell ist, sich in eine Männerdomäne traut und ziemlich nervt ...

... Breen und seine Kollegen zumindest. Für den Leser dagegen ist Tozer richtiggehend erfrischend. Der Mordfall an sich und die Kriminalgeschichte sind nichts herausragendes, aber der Autor weiß die Zeit und Atmosphäre gut zu vermitteln. Einen besonderen Reiz hat die Geschichte auch dadurch, dass die Ermittler nicht uneingeschränkte technische Möglichkeiten haben, sondern regelmäßig auf der Suche nach Telefonzellen oder Privatanschlüssen durch die Gegend laufen um ihr Revier zu informieren und auf grundlegende Ermittlungsarbeit angewiesen sind.
Gut und teilweise schockierend sind die damaligen Gegebenheiten dargestellt, beispielsweise wie wenig akzeptiert und respektiert eine Frau bei der Polizei ist, die in das männliche Metier eindringt. Auch Polizeigewalt und Korruption sind allgegenwärtig genauso wie Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Durch die absolut wertungsfreie Schilderung durch den Autor wird dem Leser erst die Diskrepanz zur heutigen Zeit bewusst.
Gut ausgearbeitet waren meiner Meinung nach auch die Charaktere und ihre Geschichten. Das Buch hat teilweise von den Nebenhandlungen gelebt, von den Beziehungen der Kollegen untereinander, aber auch von Breens Lebens- und Familiengeschichte. Diese haben mich gut überzeugt und an das Buch gebunden. Und auch der Kriminalfall war zwar wenig überraschend, aber bodenständig.

Der Schreibstil ist angenehm flüssig und locker und auch wenn die Beatles in diversen Buchbeschreibungen immer wieder betont werden, dienen sie doch "nur" der Atmosphäre. Beatles-Fans werden also wenig auf ihre Kosten kommen, wenn dies der einzige Lesegrund ist. Da das Buch aber insgesamt sehr atmosphärisch war, mich problemlos in die Zeit eintauchen ließ und auch von den Nebensträngen lebte, war es ein Lesegenuss, der nirgendwo sperrig war, und mich gut unterhalten hat. Wer pausenlose Action und viel Blut in seinen Krimis und Thrillern braucht, könnte hier jedoch enttäuscht werden.