Das Sein bestimmt das Bewusstsein

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wilde hummel 1 Avatar

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Das Buchcover passt perfekt. Ein stilisiertes Haus mit leuchtendem Gespenst. Die Gespenster der Vergangenheit werden in diesem Roman aus der Sicht der drei Mädchen geschildert. Da sind Lenka, Chaline und die Ich-Erzählerin, drei Freundinnen in der Zeit des Umbruchs, der sog. Wende oder der Auflösung der DDR in den Jahren 1990 und folgende. Die drei Freundinnen wohnen an oder bei der längsten Ausfallstraße Adlergestell im Ostteil von Berlin. Zwischen Verlust und Gewinn versuchen die Mädchen der neuen Wirklichkeit zu begegnen. Sehr eindrücklich sind sowohl die Beschreibungen der damaligen Alltagswelt und ihrer Bewohner. Dass eine Ausfallstraße nicht unbedingt herausführt zur Erfüllung von glänzenden, bunten Versprechungen wird in diesem Roman auf eine sehr feinsinnige Art beschrieben. Dazu tragen auch die auf schwarzem Papier eingefügten Werbeclips und deren Demaskierung bei. Schöne neue Welt oder wie finden drei Freundinnen ihren Weg oder wieviel Einfluss haben die Veränderungen in einem Mikrokosmos auf den weiteren Lebensweg. Sehr gelungen sind die Beschreibungen der Alltagsepisoden der Freundschaft, der Treue aber auch das trennende nach einer Schuld. Die Sprache ist ein wenig der Ausdrucksweise von Heranwachsenden angepasst, ohne dass es dadurch zur Jugendliteratur wird. Die sehr unterschiedlichen Positionierungen und Lebenswege der dann erwachsenen Frauen erschien mir zu extrem und nicht logisch nachvollziehbar, insbesondere der Rechtsrutsch der Ich-Erzählerin 'wir sind wer, wir haben Macht' als Folge von Ohnmachtserfahrung hätte ich gerne differenzierter erfahren. Insgesamt jedoch ein intensiver Roman, der die Wahrnehmung der Wende aus der Perspektive der jungen Mädchen sehr präzise beschreibt.