Nachdenklich zurückgeblieben

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mike nelson Avatar

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Nachdenklich zurückgeblieben. Laura Laabs entführt uns mit ihrem im Rahmen des diesjährigen Ingeborg-Bachmann- Preises gelesenen Textes "Adlergestell" zurück in die Vor- und Nachwendezeit am Rand von Berlin - in die Siedlung am 'Adlergestell', der längsten und vielbefahrenen Strasse in Berlin. Der Name "Adlergestell" bezieht sich auf eine alte Forstschneise. Die Legende besagt, dass die Bäume entlang des Weges in der Zeit der Kurfürsten mit einem Adler geschmückt waren - und der Reichsadler wird auch im weiteren Text eine Rolle spielen. Laabs nimmt uns mit in die Kindheit und Jugend dreier Freundinnen 'vom Stadtrand'. Da ist zunächst Lenka, die mit einem Vater zusammenlebt, dessen bevorzugtes Kleidungsstück das Unterhemd und dessen Haltung die eines Meckerers ist; da ist Chaline, die wohl am meisten Benachteiligte des Trios - sie lebt bei ihrer deppressiven Mutter, die wechselnden Männerbesuch verzeichnet. Und schließlich die Ich-Erzählerin, die zumindest eine sich sorgende Mutter hat. Erzählt wird die Schulzeit, die Bemühung, sich einen Platz zu verschaffen, der ein oder andere nicht immer glimpflich ausgehende Steich und der große Bruch, die Ernüchterung, mit der Wende zukünftig zu den eher Abgehängten zu gehören. Die Kapitel sind eingeleitet durch präzise beschriebene Glücksversprechen der bundesdeutschen Werbeindustrie. Zwar handelt der Text die zumeist in der Zeitphase rund um die Wende, lässt die Lesenden aber auch wissen, welch unterschiedliche Wege die drei in ihrem weiteren Leben beschreiten werden. Ein Erklärungsversuch, welche Prägungen die Wendezeit ausgelöst haben und wohin diese führen können?