Berührende Beziehung zwischen Großvater und Enkel

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lesemöwe Avatar

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Der Roman "Albertos verlorener Geburtstag" erzählt die Geschichte einer berührenden Beziehung zwischen Großvater und Enkel.

Alberto ist ein über siebzig Jahre alter Spanier, der im spanischen Bürgerkrieg als kleiner Junge in ein Waisenhaus gekommen ist und sich seitdem an nichts mehr erinnert, was vorher war, also auch nicht an seinen Geburtstag.

Alberto beginnt über seine Geschichte nachzudenken und sie seinem siebenjährigen Enkel Tino zu erzählen, als dieser ihn unerwartet besucht, weil sein Vater einen schweren Unfall hatte und seine Mutter seinem Vater im Krankenhaus beistehen muss. Daraufhin beschließt Tino, dass sein Großvater seinen Geburtstag finden soll und so machen sich Großvater und Enkel auf eine Reise in die Vergangenheit.

Der Roman weist zwei Handlungsstränge auf: Der eine spielt in Albertos und Tinos Gegenwart und der andere in Albertos Vergangenheit. Je weiter die beiden in Albertos Vergangenheit reisen, desto weiter zurück gehen die Szenen aus Albertos Vergangenheit. Das ist erzähltechnisch ein gelungener Schachzug, denn so hat man als Leser/in das Gefühl, diese Reise der beiden mitzuerleben und sukzessive weiter in die Vergangenheit Albertos einzutauchen und zu verstehen, warum er als kleiner Junge seinen Geburtstag verloren hat.

Der Titel deutet also an, worum es in dem Roman geht, wobei allerdings interessant ist, dass der englische Titel wörtlich übersetzt " Albertos Geburtstag" heißt und in der deutschen Übersetzung um das Attribut "verloren" erweitert wurde. Das legt nahe, dass das Verlorensein eine große Rolle in der Handlung spielt, was man auch schon in den ersten Seiten der Leseprobe merkt: Alberto fühlt sich innerlich verloren, nachdem er seine Frau verloren hat, und auch den kleinen Tino umgibt etwas Verlorenes, als er nach dem Unfall seines Vaters bei seinem Großvater ankommt. Wie auch der kleine Alberto augenscheinlich irgendwo verloren wurde, er viel verloren hat und ebenso verloren im Waisenhaus ankommt, in dem später seine Recherchen wieder beginnen.

Die beiden Hauptfiguren Alberto und Tino, so authentisch, ehrlich und liebenswert, wachsen einem sofort ans Herz.

Die Sprache des Romans überzeugt durch ihren Bilderreichtum und ihre Intensität in den Beschreibungen und Sinneseindrücken: "Die saftige Frucht war so groß wie seine Hand. Prüfend betrachtete er ihre wächsernen Poren, ehe er sie an seine Nase hob und daran roch. Er nickte zufrieden und legte sie in den Beutel zu den Muskattrauben, die mit Staub überzogen waren. Er wusste, wie sehr der Junge es liebte, die harte Schale der Trauben abzuziehen und das süße Fruchtfleisch herauszusaugen." (Seite 7) und "Er schien unempfindlich gegen die Hitze zu sein, als er das heiße, knusprige Stück in eine Papierserviette wickelte, dem Kind brachte und ihm gegenüber wieder Platz nahm. Tino hielt das Brot fest und schaute es an, als wüsste er nicht, ob er Hunger hatte oder nicht.Doch als langsam der schwache Duft der warmen, geschmolzenen Schokolade aus dem aufgebackenen Brotin seine Nase stieg, begann er, zaghaft an der knusprigen Kruste zu knabbern (Seite 12).

Ein berührender Roman, der einen schon auf den ersten Seiten packt, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte und bei dem man enttäuscht ist, wenn man die letzten Zeilen gelesen hat.