Farbenprächtig, schillernd, herausragend erzählt, leider mit ein paar Schwächen

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cellissima Avatar

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In seinem neuesten Werk, einem historischen Kriminalroman, entführt uns John Banville alias Benjamin Black in das Prag des späten 16. Jahrhunderts.

Im Mittelpunkt steht Christian Stern, ein junger Wissenschaftler, der aus Würzburg nach Prag kommt, um dort v.a. beruflich aufzusteigen, zu Ruhm und Ansehen zu gelangen, was ihm in der Provinz größtenteils versagt blieb.
Doch sein Vorhaben steht unter keinem guten Stern, denn schon in der Nacht nach der Ankunft findet er eine Leiche.
Bei der Toten handelt es sich um die Geliebte des Kaisers ...
Stern gerät zunächst selbst in Verdacht, erlangt dann aber die Gunst des Kaisers und wird von diesem damit beauftragt, den Mordfall aufzuklären.
Kein leichtes Unterfangen, da bei Hofe mehrere einflussreiche Männer um die Gunst des Kaisers buhlen und vor nichts zurückschrecken, um ihr Ziel zu erreichen. So kommt es, dass Sterns Leben schon bald erneut und diesmal ernsthaft und endgültig in Gefahr gerät ...

Es ist der Schreib- und Erzählstil des Autors, von dem diese Geschichte lebt, die ihren Reiz ausmacht. John Banville alias Benjamin Black schreibt und erzählt überaus opulent, dicht, atmosphärisch. Er zeichnet ein ganz besonderes, farbenprächtiges und schillerndes Bild, erweckt seine Figuren und seine Kulisse mit allen Details zum Leben.
Als Leser fühlt man sich wahrlich ins Prag des Jahres 1599 zurückversetzt.
Die Figur des Kaiser Rudolf, sein Hof, die Wissenschaften, die dort betrieben werden, tragen auch zu alledem bei.
Als Leser ist man gefesselt und fasziniert, hat aber immer auch eine leichte Gänsehaut und ein ungutes Gefühl in Anbetracht dessen, was da vor sich geht ... eine tolle Mischung, die mir sehr gefallen hat!
Überhaupt ist diese Mischung aus historischem und Kriminalroman schön ausgewogen.
So toll der Stil des Autors auch ist - zwischendurch empfand ich ihn leider manchmal als etwas anstrengend zu lesen. Ich habe versucht, darüber hinwegzusehen, aber leider stellten sich durch die Ermüdung zwischendurch kleine Längen ein.
Auch das Ende konnte mich leider nicht zufrieden stellen, es war für meinen Geschmack einfach zu offen.
Der Klappentext und auch die Geschichte selbst zeigen ja, dass Christian Stern, sein Leben, sein Schicksal ... klar im Mittelpunkt stehen, dass er die Haupt- und Schlüsselfigur ist.
Also möchte man als Leser dann auch wissen, wie es mit Stern weitergeht. Er bleibt nicht in Prag, schön und gut. -Aber wohin geht er? Wie geht es privat und beruflich mit ihm weiter? Ist die Sache für Rudolf nach Sterns Flucht vorbei? Will er nach ihm suchen (lassen)? Tut er das? Ob und wie Stern im Nachhinein wohl noch mit den Erlebnissen in Prag zu kämpfen hat? -Nur ein paar der vielen Fragen, die mich als Leser zum Schluss umtreiben. Das alles bleibt leider komplett im Dunkeln, unbeantwortet.
Mag sein, dass es Leser gibt, die sich damit zufrieden geben zu wissen, dass Stern entkommen konnte, nicht von Rudolf getötet wurde.
Mir persönlich war das aber definitiv zu wenig.

Fazit: Ein herausragend erzählter historischer Kriminalroman mit einer ganz besonderen, überaus intensiven Stimmung. Leider zwischendurch etwas anstrengend zu lesen und mit unbefriedigendem, weil zu offenem Ende.