Was fehlt?

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wallerie0 Avatar

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Alles besitzen und dennoch schmerzenden bohrenden Mangel empfinden. Sucht die Lektüre nach Verständnis für ihr Handeln? Kann das auch einem selbst passieren? Eine Außensuche, deren Auflösung doch tief im eigenen Innern liegt. Die Autorin hat sich viel vorgenommen. Der Leser erwartet einen innere Kampf, der Reflexion einer nicht mehr normal wirkenden Handlungsweise. Ein Drang, ein Zwang, der zumindest dem Leser eindeutig vor Augen führt, dass dies nicht gut enden wird, dass Handlungsbedarf besteht.
Aléle ist eine zerrissene Frau, die einem trotz allem vorerst sympathisch ist. Und man hat zumindest insofern Verständnis für ihr inneres Ringen, da ja bekanntlich niemand von ähnlichen Zwiespälten gefeit zu sein scheint. Das macht Aléles Geschichte auch so packend und realistisch. Angeheizt vom Geschehen, schwingen beim Lesen schwingen stets die eigenen Erfahrungen, Vorsätze und gängige Moralvorstellungen mit. Eine Dramatik, die sich im Laufe des Romans noch steigern wird. Eine Getriebene, die das emotionale Karussell nicht aufhalten kann.
Der Leser dreht sich eine Weile wohlwollend mit. Doch dann kommt allmählich der Punkt, wo er abspringt und ihrem Sich-im-Kreis-drehen nur noch hilf- und verständnislos zusieht. Die Sympathie weicht, das Verständnis schwindet. Sie hat zwar viel Sex, tut aber rein gar nichts für sich. Ihre Gedanken gehen nicht weit genug. Sie beschäftigt sich zwar intensiv mit diversen Dingen, ja, auch viel mit sich selbst, doch setzt sie sich nie wirklich mit sich selbst auseinander. Und so bleibt auch die Handlung ziemlich bodenständig. Wie auch sonst, wenn sich unsere Antiheldin nicht über sich selbst erhebt. Das enttäuscht aber weit weniger, als dass es doch ein literarischer Genuss ist, Bücher von Leila Slimani zu lesen.