Wundervoll

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Protagonistin Adèle führt ein Leben, dass für viele von uns auf den ersten Blick verachtenswert ist. Sie betrügt ihren Mann am laufenden Band, lässt dafür sogar ihren dreijährigen Sohn allein Zuhause. Dennoch schafft es die Autorin, dass Symapthien entstehen. Meiner Meinung nach ein echtes Kunstwerk.

Leïla Slimani wurde ja nach ihrem ersten großen Erfolg „Dann schlaf auch du“ als eine der großen neuen Autorinnen aus Frankreich gefeiert. Und mir ist dank dieses Romans jetzt sehr deutlich, warum. Die Autorin hat ein ganz besondere Erzählweise, die distanziert, aber dennoch emotional ist. Sie hat hier ein Thema gewählt, dass komplex und voller Widersprüche ist, für das sich viele bestimmt interessieren, aber das es eigentlich fast unmöglich macht, eine Protagonistin zu entwickeln, die man als Leser verstehen und auch mögen kann. Dennoch hat sie genau dies geschafft. Adèle erfüllt so viele Punkte, aufgrund derer man sie eigentlich hassen müsste. Sie betrügt ihren Mann, hasst ihren Job und gibt sich bei der Arbeit keine Mühe, lügt und betrügt und selbst ihr Kind vernachlässigt sie sträflich, schreit den Dreijährigen an und redet eigentlich nur darüber, wie sehr sie ihr Leben hasst – ein Leben, von dem andere Träumen. Doch dann erfahren wir immer mehr über ihre Vergangenheit und Kindheit und beginnen zu verstehen, wie Adèle zu dem Menschen wurde, der sie heute ist. Und am Ende stehen wir mit einem flauen Gefühl im Magen da, wissen nicht wohin mit unseren Erkenntnissen und wissen noch viel weniger, was genau wir jetzt fühlen sollen, auf wessen Seite wir stehen. Gibt es überhaupt eine richtige Seite?

Damit ihr einmal wisst, was genau das Thema dieses Buches ist: Die Protagonistin leidet an Hypersexualität. Diese definiert sich laut Wikipedia so: „Hypersexualität ist ein in der Medizin, Psychotherapie, klinischer Psychologie und Sexualwissenschaft gebräuchlicher Begriff. Er bezeichnet sowohl ein erhöhtes sexuelles Verlangen als auch ein gesteigertes sexuell motiviertes Handeln. Hypersexualität kann unterschiedliche Ursachen (körperliche wie psychische) haben.“

Ein Thema, auf das wir in unserer Gesellschaft immer öfter treffen und dessen Relevanz enorm ist. Ich selbst habe mich damit aber eben noch nicht außeinandergesetzt und war sehr froh, dass ich davon jetzt wenigstens einen ersten Eindruck bekommen habe, der klein, aber dennoch sehr tiefgründig war. Bewundernswert dabei: Obwohl es in diesem Roman viel Erotik gibt, ist diese anspruchsvoll verpackt, nimmt nicht zu viel Raum ein und wirkt ganz uns gar nicht pornografisch. „All das zu verlieren“ ist ein ernster Roman mit einem ernsten Thema und das zeigt sich natürlich auch in der Erzählweise. Eine angemessene Art, dieses Thema zu vermitteln. Wichtig bei diesem Roman ist das genaue Lesen, sonst kann einem viel entgehen. Keine leichte Unterhaltungsliteratur, sondern ein Buch mit Botschaft. Wundervoll!

4,5/5 Sterne