Appell für neue Zeitkultur

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
bobbi Avatar

Von

Die bekannte und renommierte Journalistin und Feministin Teresa Bücker plädiert in ihrem ersten, rund 400 Seiten starken Sachbuch „Alle_Zeit – eine Frage von Macht und Gerechtigkeit“ für eine neue Zeitkultur und eine gerechtere Verteilung der wertvollen Ressource Zeit. Detailliert, einwandfrei strukturiert und recherchiert (70 Seiten Quellennachweise) öffnet sie versierte Einblicke in die Problemstellungen des Zeitmangels unserer Leistungsgesellschaft, gibt Handlungsvorschläge und liefert zudem einen Appell an unsere Politik für eine sozialere Gerechtigkeit. Denn neben der Zeit für Erwerbsarbeit bleibt den meisten viel zu wenig Qualitätszeit für Selbstfürsorge, gesellschaftlichspolitisches Engagement oder für Care-Arbeit für Kinder und Angehörige. Denn Zeit beeinflusst unser Leben auf vielen wichtigen Ebenen, Zeit bedeutet auch Geld und Macht – und manche Gesellschaftsgruppen mangelt es gewaltig an Quality Zeit, hier herrschen Zeitnot und Dauerstress, welche nicht nur sehr gefährlich für die Gesundheit werden können. Diese Risse zwischen Zeit bei Frauen und Männern oder zwischen Arm und Reich fächert Bücker gekonnt auf. Wie können wir mehr Zeitkonfettis für Erholung, Flow und selbstbestimmte Freizeit schaffen?

Trotz des anspruchsvollen Themas, der brisanten Zahlen sowie Fakten und der tiefgründigen Ausführung sowie Reflexionen der verschiedenen Themenbereiche liest sich Bückers Sachbuch äußerst spannend und flüssig – die Schlussfolgerungen und Gedankengänge öffnen die Augen, welche größere Spirale an Problemen die Zeitnot und der Zeitdruck mit sich bringt. Auch werden philosophisch-soziologische Ansätze wie die faszinierende Vier-in-einem-Perspektive von Frigga Haug miteinbezogen und der Aspekt, dass der Sorgearbeit viel mehr Anerkennung und Zeit zukommen müsste, um unserer Gesellschaft die Weiterentwicklung von menschlichem Potenzial zu ermöglichen. Dafür müsste unsere Zeit für Erwerbsarbeit weniger oder in Teilzeit verteilt werden, oder die Arbeit besser bezahlt werden, auch damit neben anderen zeitraubenden Verpflichtungen mehr Zeit für das soziale und familiäre Umfeld bleibt, für Zusammenhalt, Gleichberechtigung und Empathie.

Wie kann Zeit im Alltag besser umverteilt oder umstrukturiert werden und welche gesellschaftlichen/sozialen Probleme können damit gelöst werden? Teresa Bücker hat sich einem aktuellen und dringlichen Thema gewidmet und einen wichtig-notwendigen und aufrüttelnden Appell für mehr persönliche Zeitsouveränität verfasst, der keine Zweifel aufkommen lässt, welche Missstände in Deutschlands Zeitkultur herrschen. Absolut empfehlenswert und hoffentlich regt Bückers brillantes Sachbuch weitere gesellschaftspolitische Diskussionen und Debatten an!