Umfangreich recherchierte Auseinandersetzung mit einer gerechten Zeitkultur

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lillywunder Avatar

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Zeit. Wir alle haben 24 Stunden davon, jeden Tag. Wir verbringen Zeit und haben mal mehr und mal weniger Einfluss darauf, auf welche Weise wir das tun - eine Erfahrung, die uns alle verbindet. Als zentrale Ressource unserer Gesellschaft ist die Zeit eng mit Gerechtigkeitsfragen verbunden. Und doch, so Teresa Bücker, ist der diskursive Austausch dazu unterentwickelt, fehlen uns die Begrifflichkeiten, um unsere Zeitgestaltung präzise benennen zu können, denken wir über die Zeit hinweg. Mit "Alle_Zeit" ist nun ein Sachbuch erschienen, welches sich in diese Lücke hineinschreibt, indem es verschieden Arten von (Lebens-)zeit differenziert und die Frage danach stellt, wie eine neue, gerechtere Zeitkultur aussehen könnte.

Dieses Buch wirbt für die Wahrnehmung der eigenen Zeitvielfalt. Die Kapitel thematisieren unter anderem Arbeits_Zeit, Zeit für Care, Freie Zeit und Zeit für Politik. Es war wunderbar bereichernd, während des Lesens so tief in die Reflexion der eigenen Zeiten einzusteigen, darüber nachzudenken, wie viele Tätigkeiten einen (subjektiven) Muss-Charakter haben und welche Zeiten tatsächlich vollständig der sozialen Bewertung entzogen sind. Doch Teresa Bückers Blick geht weit darüber hinaus und betrachtet uns als Gesellschaft. Den starken Fokus auf die Arbeits_Zeit, um die sich alles andere drumherum zu sortieren hat. Die ungerechte Verteilung von Zeit für Care, die von einer Arbeitswelt verdrängt wird, die nicht darauf ausgerichtet ist, dass ihre Mitglieder Verantwortung in der Care-Arbeit übernehmen. Die Zeitarmut, die sich auch auf die politische Teilhabe und Wehrhaftigkeit einer Demokratie auswirkt. Die Schwerpunktsetzung empfand ich allerdings ganz klar bei dem Konflikt zwischen Care- und Erwerbsarbeit insbesondere in der Situation von Müttern, welcher in den verschiedenen Kapiteln wieder aufgegriffen wird.

Insgesamt ein sehr umfangreich mit Quellen belegtes Sachbuch, das inspiriert und mit konkreten Vorschlägen zur gerechteren Zeitkultur vor allem eins zeigt: dass die Art und Weise, wie wir leben, nicht alternativlos ist.