Eine junge Frau setzt Zeichen!

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rauschleserin54 Avatar

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- Auch Ilse besaß selber eine Postkarte von ihrem Vater, die er aus Brügge geschrieben und nur an sie adressiert hatte.
„Brügge ist schöner als alle anderen Städte, die ich gesehen habe“, stand auf der Rückseite. „Wenn du alt genug bist, fahren wir zusammen hierher, und ich zeige dir, wie man Häuser baut, die so hoch sind, dass sie fast die Wolken kitzeln und über den Straßen zu schweben scheinen“. -

Leider ist es dazu nicht mehr gekommen:


Ilse träumt schon als Mädchen Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts davon, mit dem Vater Häuser zu bauen. Seit die Karte aus Brügge kam mit den hohen Häusern, die in den Himmel wuchsen. Ilse ist intelligent und traut sich was und sie setzt sich durch, in Weimar Architektur zu studieren, als das für Frauen noch fast undenkbar war.
Der Krieg bremst sie und ihren besonderen Freund Hans erstmal aus und sie muss Dinge tun, die ihr das Leben retten und die ihr ermöglichen, tatsächlich nach dem Krieg an der grössten Prachtstraße der DDR mitzubauen. Aber zu welchem Preis? Und dann begegnet sie Helmut, dem Jungen aus ihren Jugendjahren, der ihr so gut gefiel und dem sie dann noch mal begegnete unter anderen Vorzeichen. Er weiß um ihr Geheimnis und das nutzt er für sich. Sie arbeitet den Herren zu. Aber Ilse wäre nicht Ilse, die starke Tochter ihres Vaters, wenn sie da nicht noch etwas für sich findet.....
Sie begegnet tollen besonderen Menschen und sie begegnet Genossen wie Ulbricht und Co., die wieder mal ihre Idee für die alles Geltende ansehen und die einfachen Menschen spielen eine untergeordnete Rolle.....

Die Autoren haben ausdrücklich einen fiktiven Roman mit echten Persönlichkeiten der Zeit geschrieben, die aber mit künstlerischer Freiheit auftraten. Ich fand das in Ordnung. Die Stimmung der furchtbaren Kriegszeit, die grässlichen Taten der Nationalsozialisten und die Orientierungslosigkeit und Verlorenheit der Menschen sind sehr gut rüber gekommen. Sehr gut war auch nachzuvollziehen, wie der Idealismus die Menschen wieder mitnahm, sie wieder schaffen und handeln wollten, um ein neues und schöneres Leben zu bekommen. Und wieder diese Demagogen, diese Manipulatoren und selbstgerechten Machthaber, diesmal unter anderem Namen und für das Volk. Die Protagonisten waren sehr authentisch dargestellt: vor allem Helmut in seiner Zerrissenheit, Hans in seiner Stärke und Verletztheit und die arroganten Architekten und Genossen. Man könnte dem Buch auch die Überschrift geben: Die Hoffnung stirbt nie. Nicht für Ilse und nicht für besondere Menschen wie sie, die nicht aufgeben und nicht einfach nur mit laufen können. Das war für mich die Quintessenz des Gelesenen und ich danke den Autoren für einen spannenden und lehrreichen Ausflug in die Welt des Bauwesens und der Architektur.