Lieber gemeinsam statt einsam

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enzian Avatar

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Ricarda kann es kaum fassen, in ihrer Wohnung hat sich Hausschwamm gebildet. Eine umfassende Sanierung steht an und sie muss für sechs Monate ausziehen. Wohin? Auf diese Frage ist die Psychotherapeutin ratlos. Für sie kommt alles auf einmal zusammen, sie hat schon genug Probleme mit Tochter Stella. Da trifft sie zufällig ihren alten Freund Philip, der für Ärzte ohne Grenzen in Mali tätig war. Nun ist Philip zurück in Köln und hat die Wohnung seiner Mutter geerbt, für ihn viel zu groß. Außerdem ist auch noch der Hund seiner Mutter da, der dicke Dackel Ralf. Was liegt näher, als eine WG zu gründen? Er lädt Ricarda zur Besichtigung ein. Auch Harry bereitet seinen Umzug in die WG vor. Er fährt Taxi und ist nie um coole Sprüche verlegen. Die burschikose Wurstverkäuferin Uschi hat das Herz auf dem rechten Fleck und versorgt die WG natürlich gern mit Wurst. Der schüchterne ehemalige Sparkassenangestellte Eckart vervollständigt die WG. Er zieht gleich mit dem Grabstein seiner Frau ein. Allen ist eigen, dass sie über sechzig und aus den unterschiedlichsten Gründen allein sind. Schnell stellen sich Gegensätze ein, aber schließlich raufen sich doch alle zusammen und beginnen, Spaß miteinander zu haben. Da schlägt das Schicksal erbarmungslos zu, Uschi bekommt einen Schlaganfall. Vorbei ist es mit Ausflügen, nun sind Verantwortung, Teamgeist und Disziplin gefragt. Dabei ist die Pflege der kranken Uschi alles andere als einfach, der erste WG-Bewohner droht sogar mit Auszug. Mitten in diesen Turbulenzen entdecken Ricarda und Philip längst vergessene Gefühle füreinander.

Die flüssige, humorvolle Erzählung hat mich sofort in Bann gezogen. Im Mittelpunkt der Handlung stehen fünf Menschen um die sechzig, die nach unterschiedlichen Schicksalsschlägen entschlossen sind, eine WG zu gründen. Beatrice Meier hat natürliche, liebenswerte Protagonisten geschaffen, mitten aus dem Leben. Der Leser befindet sich sofort im Geschehen und nimmt Anteil an den Freuden und Hürden des WG-Lebens. Dieses Leben ist gar nicht so einfach für Singles, die bisher allein lebten. Ich habe mich über den fassungslosen Eckart köstlich amüsiert, als Ricarda seine Unterhosen mit gewaschen hat, um die Maschine voll zu bekommen. Oder Harry, der seine Zigaretten selbst dreht und an allem erst ein mal erbarmungslos rummotzt. Alleine sind die fünf nicht mehr, aber Spannungen bleiben nicht aus. Bald unternimmt die WG gemeinsame Ausflüge und bringt Uschi das Doppelkopfspiel bei, alles scheint sich einzurenken. Dann geschieht etwas, womit keiner gerechnet hat, Uschi bekommt einen Schlaganfall und wird pflegebedürftig. Harrys erste Reaktion darauf: Wer krank wird, fliegt raus! Dennoch entschließen sich alle, Uschi innerhalb der WG zu pflegen. Das stellt die Mitglieder vor eine harte Belastungsprobe, der sich nicht alle gewachsen zeigen. Beatrice Meier hat einen wunderbaren Roman geschrieben, voller Gefühl und Lebensfreude. Selbst als eine tragische Wende eintritt, verliert die Erzählung nicht an Humor, das gefällt mir. Der Roman führt vor Augen, dass auch im Herbst des Lebens sonnige Tage möglich sind. Vor dem sehr realistischen Hintergrund sinkender Renten, steigender Lebenskosten und Mieten, erscheint die Idee einer WG als durchaus lohnenswerte Alternative. Welche Hürden dabei zu nehmen sind, zeigt die Autorin in erfrischender Weise auf. Last but not least ist Dackel Ralf nicht zu vergessen, auch seine Sicht der Dinge und Kommentare haben mich zum Lachen gebracht. Das Buch ist bereits verfilmt worden, die Ausstrahlung erscheint in diesem Frühjahr im ZDF. Ich bin schon sehr gespannt darauf. Auch das lustig gestaltete Cover mit den farbigen Keksen weist auf die bunt gemischte Gemeinschaft hin und passt perfekt zum Inhalt des Buches.