Post aus der Vergangenheit

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buecherfan.wit Avatar

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In ihrem Roman “Aller Anfang ist Apulien” erzählt Kirsten Wulf die Geschichte des knapp 30jährigen Malers Michele, der im Nachlass seiner kürzlich verstorbenen Mutter Lucia eine rätselhafte, vor 28 Jahren abgeschickte Postkarte von einer Unbekannten namens M. gefunden hat. Die Karte verweist auf Wurzeln im süditalienischen Lecce und auf einen Bruder der Mutter, von dem er zum ersten Mal hört. Michele beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen und reist nach Apulien. In einem zweiten Handlungsstrang entdeckt Elena an ihrem 40. Geburtstag durch Zufall, dass ihr Mann sie mit seiner Sekretärin Marlene betrügt. Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Elena hatte nach der Geburt des jetzt 5jährigen Ben ihren interessanten Beruf als Fotoreporterin aufgegeben und hat nach dreijähriger Pause einen Halbtagsjob in der Fotoredaktion der Zeitschrift “Weltweit” angenommen.
Sie langweilt sich in ihrem Leben und mit ihrem Mann, der zielstrebig seine eigene Karriere verfolgt. Elena beschließt kurzerhand, für einige Zeit zu ihrem Onkel Gigi in Lecce zu ziehen. Dort wird sie im Palazzo des Onkels, eines Antiquitätenhändlers, eine Baustelle vorfinden und ihre Freundschaft mit der Kindheitsfreundin Elisabetta wieder aufleben lassen. Eine Begegnung der beiden zeitweiligen Emigranten Elena und Michele ist von vornherein absehbar.
Die Geschichte, die der Roman erzählt, beschränkt sich aber nicht auf Elenas Ehekrise und Lucias rätselhafte Vergangenheit. Es geht nicht einmal um das, was Klappentext und Cover erwarten lassen: eine Romanze in südlicher Sonne. Die Handlung reicht von Anfang Dezember bis kurz nach Silvester. Es ist die meiste Zeit kalt und regnerisch. Die angekündigte Liebesgeschichte wird nur in ihren ersten Anfängen angedeutet, und tatsächlich überlagern ganz andere Themen über weite Strecken Micheles Familiengeschichte: Menschenhandel, Zwangsprostitution, die allgegenwärtige Korruption und die Mauschelei der Mächtigen, die das Leben im Ort bestimmt, dazu Drogen, Glückspiel, Schutzgelderpressung und überall der lange Arm des organisierten Verbrechens.
Kirsten Wulfs Roman ist nicht uninteressant und liest sich nicht schlecht, hinterlässt allerdings auch keinen bleibenden Eindruck. Mir gefällt das italienische Ambiente, das die Autorin durch zahlreiche eingestreute italienische Brocken verstärkt, aber mich stören sprachliche Unebenheiten, die nicht gerade von
einem ausfeilten Stil zeugen (“Elisabetta sah … abgöttisch aus…”, S. 67, “… lobpreiste Gigi sie vorab,” S. 81, “ “Aron schubberte mit seiner Hand …”, S. 224, “… das Muffeln des Commissario…”, S. 244 usw.).