Ein schmerzhafter Prozess

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stoepfel Avatar

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... ist es, der in diesem Buch durchlebt wird. Und man leidet ein bisschen mit.

Die Pubertät ist generell eine schwierige Zeit. Aber für Marin sind nicht Pickel und Klamotten das Problem. Sie kämpft mit existenziellen Verlusten, sucht ihren Platz im Leben auf eine Weise, die man niemandem wünscht.

Der Leser begegnet Marin im Wohnheim ihres Colleges zu Beginn der Weihnachtsferien. Alle fahren zu ihren Familien, Marin bleibt allein zurück, im Notfall betreut vom Hausmeister. Sie wappnet sich für die Einsamkeit, die sie sich ausgesucht hat. Aber der Leser bemerkt schnell ihre Hin- und Hergerissenheit. Da ist ein Zwang, etwas in ihrer jungen Vergangenheit, das sie - manchmal metaphorisch gemeinsam mit ihrem Körper - tief vergraben hat, das sie nicht loslässt, dem sie sich aber auch nicht stellen kann.
Zu Beginn der Einsamkeit der Weihnachtsferien steht ein Besuch von Mabel an, dem Marin beinahe noch ambivalenter entgegen sieht als der danach zu erwartenden Einsamkeit. Denn Mabel kommt aus Marins "früherem" Leben und Marin weiß, dass Mabel sie zu gut kennt, als dass sie sich weiter verstecken könnte.

Und so erleben die Leser*innen Marins Weg zu diesen Weihnachtsferien mit. In Rückblenden, die immer wieder in der Gegenwart halt machen und sowohl die Leser*innen als auch Marin auf ihrem vorsichtigen Weg zu sich selbst inne halten lassen. Mit dem Rahmen einer solchen Abgeschiedenheit ist die ideale Ausgangsposition geschaffen für einen Häutungsprozess, der ebenso schmerzhaft wie reinigend sein wird. Und ganz "nebenbei" gibt es da natürlich auch noch die eigentlichen Fragen des Erwachsenwerdens wie die nach sexueller Identität, nach Zukunftsplänen und dem Platz im Leben.

Nina LaCour gelingt es wunderbar, die Behutsamkeit dieses Prozesses einzufangen. Da ist nichts Voyeuristisches, nichts Bloßstellendes. Mit einfacher, dennoch präziser Sprache zeichnet die Autorin Situationen und Gefühlszustände, dass man bisweilen den Atem anhält, um die Situation nicht zu stören, den Prozess nicht aufzuhalten.

Ein Buch, das beschäftigt, nachdenklich macht und unter die Haut geht.