Im Berg rumort es

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dajobama Avatar

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Der Debütroman der jungen Autorin Marie Gamillscheg ist eine stimmungsvolle Beschreibung einer Stadt, die keine mehr ist und seiner verbliebenen Bewohner am Fuße eines ausgehölten Berges. Dieser Berg, der innen manchmal noch glänzt, hat seinen Anwohnern jahrzehntelang Arbeit und Erz gegeben, nun droht er zusammenzubrechen, es bilden sich bereits tiefe Spalten in der Erde. Nur wenige Menschen wohnen noch in der verfallenden Stadt, wer kann, zieht weg. Nur wenige Monate, einen Sommer lang, darf der Leser die Personen dieser Geschichte begleiten. Wobei eigentlich nicht viel passiert. Es geht hier weniger um eine Handlung, sondern vielmehr um eine Situationsbeschreibung.

Protagonisten des Romans sind die Wirtin Susa und ihr letzter Stammgast Wenisch, die sich in ihrer Einsamkeit und im Niedergang der Stadt eingerichtet haben. Theresa und ihre Schwester Esther, die weg in die große Stadt wollen und natürlich Martin, ein Opfer des kaputten Berges, der gleich zu Beginn durch einen Autounfall am Berg tödlich verunglückt. Dann kommt Merih, Regionalmanager in den Ort. Er soll ein Umsiedelungsprojekt vorbereiten, das den Ortskern wiederbeleben soll.

Mit kurzen, direkten Sätzen, die man anfangs vielleicht als grob empfinden könnte, breitet Gamillscheg das Leben, die Hoffnungen und Träume dieser Schicksalsgemeinschaft im Schatten eines ausgebeuteten Berges vor dem Leser aus. Häufige Perspektivwechsel, sowie immer wieder die Sage vom Blintelmann, machen den Roman zu einem abwechslungsreichen Lesevergnügen. Man muss sich schon auf das Buch einlassen, dann aber tauchen hinter den abgehackt wirkenden Sequenzen tiefe Gefühle und große Schicksale auf. Trotzdem bleiben die Figuren alle seltsam fremd und distanziert. Im Grunde sind sie nur Statisten, die nicht wahrhaben wollen, welche Gefahr von dem Berg ausgeht. Und die Erdspalten werden breiter. Der eigentliche Protagonist ist der kaputte Berg. Die Autorin überzeugt durch sehr genaue, kluge Betrachtungen der Personen und der Umgebung.

"Der Abbauberg hat etwas ganz und gar Unnatürliches. Als wäre er vor langer Zeit in diesem Tal abgestellt worden und hätte sich in all den Jahren nie an die Gebirgslandschaft anpassen können." Seite 113

Dieser Roman ist eine Momentaufnahme und lässt vieles offen. Er bietet keine Lösungen an, doch dies ist auch nicht die Aufgabe der Literatur. Die Geschichte lässt mich nachdenklich zurück, auch weil viele grundsätzliche Themen angesprochen werden. Am Ende hatte ich aber doch ein wenig mehr konkrete Handlung erwartet.