Ein Roman als Propagandawaffe im Kalten Krieg

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takabayashi Avatar

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Eine interessante Idee für einen historischen Roman: Boris Pasternaks Liebesgeschichte und Revolutionskritik "Doktor Shiwago", in der Sowjetunion verboten, wurde heimlich aus Russland herausgeschmuggelt und vom italienischen Verleger Feltrinelli veröffentlicht. Die CIA wittert eine Chance für eine Propagandakampagne und lässt einige 100 Exemplare auf Russisch drucken und nach Russland zurückschmuggeln. Das alles ist tatsächlich so geschehen und Lara Prescott webt eine Geschichte drumherum, die abwechselnd im Osten (Russland) und Westen (hauptsächlich USA, aber z.B. auch 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel) spielt. In den einzelnen Kapiteln erzählen unterschiedliche Protagonisten, z.B. die CIA-Stenotypistinnen als Gesamtgruppe, Irina, eine junge russische Immigrantin, die sich beim Schreibpool beworben hat und dort auch angestellt wird, dann aber zu den Auserwählten gehört, die als Agentin eingesetzt werden (eine große Ausnahme in der Männerdomäne der CIA) und Sally, eine etwas ältere Agentin, die sich um Irinas Ausbildung kümmert. Die russischen Kapitel werden meist aus der Perspektive von Pasternaks Geliebten Olga erzählt. Olga wurde aufgrund ihrer Beziehung zu Pasternak für 3 Jahre ins Lager in Sibirien geschickt.
Die Idee ist gut, die Geschichte ist gut, aber die Umsetzung hat mich nicht ganz überzeugt. Die Schilderungen über das Leben in den Fünfzigern in Washington DC fand ich interessant, aber ich konnte mich mit niemandem identifizieren, was vielleicht an der Vielzahl der Protagonisten liegt - Irina hätte sich dafür angeboten, aber ihre Figur erwachte nie so recht zum Leben. Am nächsten kam einem eigentlich Sally, die vielleicht auch der Autorin am meisten am Herzen lag. Außerdem fehlte mir auch ein wenig die Spannung, die man von einem Roman aus dem Agenten-Milieu erwarten könnte. Die abgöttische Liebe Olgas zu Pasternak wurde nicht nachvollziehbar und Pasternak stellte sich mir als narzistischer Macho dar. Ich habe ziemlich lange an dem Buch gelesen, immer ein schlechtes Zeichen, denn ich bin eigentlich eine Schnell- und Vielleserin. Erst gegen Ende nahm die Geschichte noch etwas Fahrt auf. Mein Eindruck ist zwiespältig: interessant genug, um die Lektüre nicht abzubrechen, aber etwas zähflüssig zu lesen - und es fehlte das gewisse Etwas, das den Funken überspringen lässt!