Eine Liebeserklärung

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sillesoeren Avatar

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Ich bin froh, dass das Vorableseteam bei der Auslosung keine Rücksicht auf die im Leseeindruck vergebenen Punkte nimmt. Ich konnte der Leseprobe nur mit Mühe einen einzigen Punkt abringen, nun gebe ich von ganzem Herzen drei Punkte.

 

Zugegeben: der Plot war vorhersehbar. Wir finden uns in einer typischen Ausgangssituation für Frauenbücher: Mann verlässt Frau. Dazwischen Trauerbewältigung, Aufbau eines neuen Lebens, einige Wirrnisse und am Ende das große Glück mit einem neuen Mann, der viel besser zur Protagonistin passt als der alte. Soweit, so bekannt. Der Pfiff liegt bei diesem Buch im Detail. Die Autorin beschreibt eine realistische Situation: die 51-jährige Clara ist seit 30 Jahren verheiratet, lebt in Portugal und ist unglücklich in ihrer Ehe. Sie aber keinen Weg heraus und tröstet sich mit Alkohol. Ihr 14 Jahre älterer Mann verlässt sie wegen einer Jüngeren und Clara stürzt vollends ab. Sie verliert ihr Haus und allen anderen Luxus. Aus Frust kauft sie sich ein einfaches Haus mit Holzheizung in der Ödnis. Dort lernt sie nette Menschen kennen, die es gut mit ihr meinen und erkennt, was wahre Freundschaft ausmacht. Immer mehr genießt sie das einfache Landleben, die Gerüche der Natur, die Freiheit und das Beisammensein mit den wortkargen Einheimischen. Alle Charaktere sind sehr lebendig beschrieben, ich kann mir die aufgetakelte Heike, den unsteten Leo, die quirlige Celeste, den stillen Juao und seine Söhne, alle alle anderen Personen bildlich vorstellen. Besonders gut hat mir dabei das Gesicht gefallen, das Werner machte, als er nach der Scheidung in Bezug auf seine Einladung einen Korb bekam ;o)

 

Dieses ganze Buch ist im Grunde eine Liebeserklärung an die unwirtlichste Gegend von Portugal. Auch wenn ich ihn nicht persönlich kennen gelernt habe: Ich habe mich ein wenig in den Olivenbaum vor Claras Hütte verliebt. (aber psssst! das darf meine Magnolie nicht erfahren!) Dass Clara am Ende sogar noch einen Mann findet, wäre für mich gar nicht nötig gewesen, um an diesem Buch Gefallen zu finden. Mir gefällt die Wandlung von der oberflächlichen Schuhfetischistin zur holzhackenden Olivenbaumfreundin auch so. Selbst dem Hund Tom tat der Umzug gut, nun ist er nicht mehr faul und fettgefressen, sondern quirlig und neugierig. Das allein wäre mir schon Happy End genug gewesen.

Gelitten habe ich beim Lesen unter einem schlechten Lektor. Wäre er gut, fielen ihm einige sprachliche Patzer auf: z.B. bereitet Clara den ganzen Nachmittag lang das MITTAGessen vor. Auch sprachliche Ungeschicktheiten wie "sie erlebte jede Sekunde minutiös", Verwechslungen von "dass" und "das" sowie ein Wechsel zwischen Präsens und Perfekt dürfen nicht bis ins gedruckte Buch finden.