Um Welten besser als "Rückflug zu verschenken"

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
scottie Avatar

Von

Nachdem ich den einen Frauenroman gegen den anderen eingetauscht hab, kann ich nun auch mitreden...

"Alles wegen Werner" ist ein eher untypischer Frauenroman. Zwar erscheint die Handlung, in wenige Worte gefasst, nach dem gleichen Strickmuster zuverlaufen: Frau wird vom langjährigen Ehemann wegen einer jüngeren Frau verlassen  - Frau ist am Boden zerstört - Findet aber zu sich selbst und wächst über sich hinaus - wird nach missglückten Versuchen mit zweiter grosser Liebe belohnt, ist bei weitem aber selbstkritischer gechrieben. Auch wenn die Protagonisten auf textinterner Ebene frei von jeglicher Selbstkritik ist.

Es handelt sich hier nicht um einen Frauenroman in welchem die Frau als Opfer und Verlasene dargestellt wird, im Gegenteil, man fragt sich wieso Werner es so lange mit einer ständig alkoholisierten trägen Frau ausgehalten hat. Genau das ist Clara: eine sich selbst bemitleidende Frau mittleren Alters, welche sich ergeben in ihr Schicksal als Haus- und Ehefrau gefügt hat, dafür aber finanzielle Sicherheit, bzw. Wohlstand, geniest. Ihre Unzufriedenheit ertränkt sie Tag für Tag in Wein. Aber eine Trennung will sie auch nicht. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sie wie von Schlag getroffen ist, als Werner sie verlässt. Aber nicht so sehr der Verlust Werners, sondern der von Haus und Auto macht ihr zu schaffen. In einer kurzschlussreaktion kauft sie ein kleines Häuschen im portugiesichen Nirgendwo und einen Reisebus und fängt ein neues Leben an - welches anfangs noch sehr ihrem alten ähnelt: sie trinkt, raucht und schläft. Alle 2 Wochen füllt sie ihre Vorräte im nahe gelegenen Dorfladen auf. Als sie nach 2 Wochen einmal nicht im Dorf erscheint, kommt das Dorf zu ihr. Durch den Besuch des ca. 80-jährigen Joao ändert sich ihr Leben schrittweise - und sie findet zu einem neuen Selbst. Natürlich bringt eine solche Veränderung auch die zu erwartenden Männerbekanntschaften mit sich. Doch zu einem beseren Leben ist es noch ein langer Weg....

Was mich besonders an dem Buch fasziniert hat, war der ironische Sprachstil, mit welchem Clara ihre Gedanken beschreibt und ihr (Nicht-)Handeln kommentiert. Dadurch lässt sich der Roman einfach so runterlesen und einen schmunzeln lassen. Toller "Nicht-" Frauenroman.