Ein Wortkino, das seinesgleichen sucht.

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kianu Avatar

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INHALT
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Branchville, South Carolina im Jahr 1923. Gertrude Pardee lebt mit ihrer Familie in einer Baracke in den Sümpfen von South Carolina. Nach Jahren des Hungerleidens und der ständigen Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann, beschließt sie zusammen mit ihren vier Kindern ins Nachbardorf zu ziehen. Die drei ältesten Töchter sollen dort Gertrudes Bruder auf den Baumwollfeldern zur Hand gehen, während die kranke 6-jährige Tochter Mary zu der farbigen Oretta kommt, die in Heilkünsten sehr versiert ist. Gertrude selbst nimmt eine Stelle als Näherin in der Fabrik von Annie Coles an und kommt sogar in einem kleinen Häuschen unter.
Um ihre letzten Besitztümer aus der familieneigenen Hütte zu holen, bewaffnet sich Gertrude mit einem Gewehr und macht sich auf den Weg durch die Sümpfe, wo sie auf einen Alligator trifft. Doch bevor sie ihn erschießen kann, taucht plötzlich ihr betrunkener Ehemann auf…


MEINE MEINUNG
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Das letzte Buch, das mich sowohl sprachlich, als auch inhaltlich richtig beeindruckt hat, liegt schon ein paar Monate zurück. Damals war es „Die Schönheit der Nacht“ von Nina George und ich war schlicht und ergreifend überwältigt von allem. Die Charaktere, die Atmosphäre, die Landschaft, einfach alles war stimmig und überzeugend.
Lange dachte ich, dass man so ein Buch kaum überbieten kann – doch dann kam der Debütroman “Alligatoren“ von Deb Spera.
Und was soll ich sagen? Selbst nach einer Woche ist mein Kopf immer noch in South Carolina und mein Herz bei Gertrude, Oretta und Annie.
Diese drei wundervollen, mutigen und auch mit Fehler behafteten Frauen haben es geschafft, mich komplett zu vereinnahmen, bis ihre Geschichte zu Ende erzählt war.
Es gibt wirklich selten Bücher die so eine Sogwirkung auf mich ausüben und es schaffen mein ganzes Sein in eine andere Zeit zu versetzen. Die damaligen Lebensumstände waren mir plötzlich unheimlich vertraut – ich habe den Geruch der alten Küchen wahrgenommen und die Farm von Annie so deutlich vor meinen Augen gesehen, als wäre ich tatsächlich schon einmal dort gewesen.

Mit ihrem beindruckend bildhaften Schreibstil nimmt uns Deb Spera mit auf die Reise in die dunkelsten Winkel einer menschlichen Seele, gräbt tiefer und hinterlässt nicht nur bei ihren Protagonisten deutliche Spuren. Man leidet, versteht und hofft mit ihnen und am Ende mischt sich tiefe Trauer mit unendlicher Erleichterung.

Zwar ist Roman in den 20er Jahren angesiedelt, hat aber nichts an aktueller Brisanz eingebüßt. Rassismus, Sexismus, Macht und Missbrauch sind an der Tagesordnung und drei Frauen erheben sich beispielhaft gegen diese Diskriminierungen.
Damals wie heute kann ein Kampf für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit nur zusammen, mit vereinten Kräften, stattfinden.


FAZIT
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“Alligatoren“ von Deb Spera ist etwas ganz Besonderes. Eindrucksvoll und ohne die alltägliche Brutalität zu beschönigen entsteht ein Wortkino, das seinesgleichen sucht.
Ich bin mehr als begeistert und spreche hiermit eine klare Leseempfehlung aus.