Fest der Erinnerung

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buecherfan.wit Avatar

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Mauro Nesta kehrt nach über zwei Jahren zum ersten Mal wieder in seine Heimatstadt zurück, um seine demenzkranke Mutter im Pflegeheim zu besuchen. Er fürchtet die Begegnung mit der kranken Mutter, weil er weiß, dass sie völlig verändert sein wird. Am Tag seiner Rückkehr beginnt ausgerechnet das traditionelle Jugendfest. Für diesen Zweck wird die Stadt mit Kränzen und Blumen geschmückt, Mädchen und Frauen über spezielle Tanzschritte für den Reigen, und es finden allerlei Rituale statt. Für Mauro verbinden sich Jugenderinnerungen mit diesem Tag, aber nicht nur für ihn. Als er seine Mutter später durch den Ort führt, beginnt sie auf dem Tanzboden zu tanzen, als hätte sie einen Partner. Als ihr Sohn sie anspricht, verletzt sie ihn mit einem Schlag ins Gesicht. Sie hat ihn für jemand aus ihrer Vergangenheit gehalten.

Im zweiten Kapitel bereitet sich auch Alina, die kleine Tochter der zugereisten deutschen Nachbarn, auf das Fest vor. Sie hat ihren Nachbarn Jakob Matter als Großvaterersatz adoptiert, und er leiht ihr das für die spezielle Festkleidung  notwendige bestickte weiße Haarband, das bei ihm sehr intensive, schmerzliche Erinnerungen an die schönste Frau der Welt auslöst. Er erinnert sich auch an Freund Pius, der ihm in der Jugend einmal das Leben gerettet hat. Pius Kobelt ist uns schon im ersten Kapitel begegnet. Er ist seit Jahren der treue Begleiter seiner geliebten Freundin Helen Nesta und vermeidet eine Begegnung mit ihrem Sohn.

Mehrere Personen verbinden unangenehme Erinnerungen mit einem bestimmten Jugendfest der Vergangenheit. Helen hat an diesem Tag offensichtlich eine Enttäuschung in der Liebe erlebt, über die sie nie hinweggekommen ist. Ein Geheimnis in der Vergangenheit, das Jahrzehnte später aufgedeckt wird, ist Gegenstand vieler Romane und sorgt meist für eine spannende Lektüre. Hier kommen weitere Themen hinzu, vor allem Demenz am Beispiel der Figur der Helen Nesta. Als Folge der demographischen Entwicklung steigt die Zahl der Demenzkranken. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass sich auch Literatur und Film dieses Themas annehmen. Bekannte Beispiele sind der Roman "Wie ein einziger Tag" von Nicholas Sparks und der darauf basierende Film, "An ihrer Seite" (ein Film mit einer überragenden Julie Christie in der Rolle der demenzkranken Ehefrau)  und zuletzt Arno Geigers Roman "Der alte König in seinem Exil."

Die Leseprobe gefällt mir sehr gut, und ich bin gespannt, wie dem Autor die Verbindung der drei Themenbereiche Liebe, Demenz und jahrhundertealtes Schweizer Brauchtum gelingt.