Depressionen in den 70ern - damals noch ein Tabuthema

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katze102 Avatar

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Benedicte und ihr kleinerer Bruder Marcel leben vordergrundig ein unbeschwertes Kinderleben, das allerdings stark davon geprägt ist, daß ihre Mutter, eine bekannte Malerin, oft starke Kopfschmerzen hat und leidet... Die Beiden verbringen schon zu diesem Zeitpunkt eine Kindheit der Rücksichtnahme, des Flüsterns und des oft Unsichtbarseins damit es ihrer Mutter besser geht. Ein wahrer Lichtblick  sind die Zeiten, in denen ihre Großmutter "Mamique" mit ihnen verbringt, die ihnen stets Halt und Zuversicht gibt. An einem Sommertagim Sommer 1976 findet die 14jährige Benedicte ihre Mutter blutüberströmt nach einem Selbstmordversuch auf, als diese mal wieder nicht am gemeinsamen Mittagessen teilnehmen kann und B. ihr Essen in das Atellier bringt. Benedicte, steht buchstäblich in den Blutpfützen ihrer Mutter, fühlt, wie das Blut an ihr klebt, ist traumatisiert .... und will gleichzeitig so tapfer sein, die Geschehnisse vor ihrem kleinen Bruder Marcel verschweigen um ihm eine unbeschwerte Kindheit zu lassen...

Die Mutter wird angeblich in ein Sanatorium gebracht um sich zu erholen; Vater Emil nimmt eine neue Arbeit an: die Leitung eines Sanatoriums, wodurch ein Umzug der Familie ansteht. Demzufolge müssen die Kinder sich von Freunden, Bekannten, der gewohnten Umgebung trennen und versuchen in einem Dorf neu anzufangen.... Immer wieder drehen sich die Gedanken um die Mutter, wann sie wiederkommt, warum sie nicht schreibt, was mit ihr ist... und im Dorf kommen Gerüchte auf, daß sie tot wäre.... Zwischen diesen ganzen Irrungen und Wirrungen finden Benedikt Freunde, wachsenheran, leiden oft unter dem Fehlen ihrer Mutter aber lernen, ihren Weg zu gehen und ihr eigenes Glück zu finden... Zum Schluß lüftet Benedicte das Geheimnis über den Aufenthaltsort ihrer Mutter - eigentlich war er keine wirkliche Überraschung sondern vom Umzug an ersichtlich für mich...

Mich beeindruckt in welch wunderschönen Worten und Bildern über das Erleben in der ganzen Familie beschrieben wird: von den Selbstmordversuchen der Mutter ( anscheinend waren es schon 5 in diesem Jahr), von dem Verschweigen der anderen 4 Suizidversuche, die als Unfälle heruntergerdet werden, von den Kämpfen, den Lösungsversuchen, dem verzweifelten Wiederanfangen und jemanden aus Liebe retten und therapieren zu wollen... Und doch scheint keine wirlich glückliche Lösung in Sicht... Die Erklärungen, was die Erkrankung der Mutter ausgelöst hat, wie Benedicte aus ihrem Trauma in ihr eigenes Leben findet - das alles ist so wundervoll und einfühlsam beschrieben, daß man sich beim Lesen unbedingt Zeit nehmen sollte...

 

Eine wundervolle Geschichte über Familienzusammenhalt, Verantortung, Liebe, Verlust, Annäherung, darüber was Depressionen nicht nur beim Betroffenen sondern bei seiner Familie auslöst und nicht zuletzt auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden damit.