Akademisches Präkariat oder : die arme Poetin

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claudiamarie Avatar

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Akademisches Präkariat oder: die arme Poetin

Das Titelbild macht neugierig.

Ganz in rot gehalten, hat es zwei Ausstanzungen , die umgedrehte Apostrophe oder Teufelshörner darstellen.



Originell sind auch Schreibstil und Inhalt

Die Protagonistin Sophie ,Journalistin mit abgeschlossenem Studium ,verliert ihre Festanstellung und rutscht auf der sozialen Leiter immer weiter nach unten, bis sie beim Bezug von Sozialhilfe angelangt ist .

Sie scheint sich damit arrangiert zu haben , als ihr unerwartet eine Stromrechnung ins Haus flattert.


Sie überweist sie brav und hat als Konsequenz nur noch 40 Euro , mit denen sie 10 lange Tage überleben muss.

Sie kann nur noch sättigende Grundnahrungsmittel wie Nudeln kaufen, für 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag reicht es nicht mehr.

Das wird , trotz des Ernstes der Lage sehr originell geschildert und macht deutlich, dass Sophie ihren Humor nicht verloren hat.

Trotzdem geht das ganze natürlich einher , mit Entbehrungen aller Art und stark reduzierter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und schlicht und einfach HUNGER, ein Gefühl, dessen man sich in der heutigen Zeit des Überflusses nicht mehr gewärtig ist.

Sophies Strategien zur Kompensation sind vielfältig .


Sie macht sich an eine alte Bekannte heran , die für ihre soziale Ader bekannt ist um sich zum Essen einladen zu lassen , weil sie es satt hat , von Nudeln leben zu müssen .

Sie veräußert Teile ihrer ohnehin geringen Habe, wobei es zu einem Dialog zwischen Saftpresse und dem Toaster kommt, der schließlich daran glauben muss.

All dies wird recht humorvoll geschildert.

Schließlich nimmt sie eine Familienfeier zum willkommenen Anlass , für einige Tage in die finanzielle Sicherheit und Geborgenheit ihres Elternhauses zurückzukehren .

Hier gerät sie natürlich in Konflikte, weil sie sich ja eigentlich vom Elternhaus gelöst zu haben meint ;finanziell aber auch innerlich.

Das wird in einer Situation deutlich, in der sie über eine Bemerkung ihrer Mutter über eine arabische Familie entsetzt ist.

Zuletzt landet Sophie als unangemeldete Aushilfe in der Gastronomie, wo sie sich ausnutzen lässt.


Begleitet wird dieser Weg von Sophies inneren Stimmen, der mahnenden Stimme ihrer Mutter, der des aufsässigen Teufels Lorchus und der ihres sexbesessenen Freundes Hector , der ebenso glücklos ist wie sie.

Das Buch ist stellenweise sehr lustig aber auch teilweise recht derb, wenn es um die Phantasien ihres Freundes Hector geht

Einen nachhaltigen Ausweg aus ihrer Situation findet Sophie aber nicht.

Das Buch endet etwas abrupt nach den Erlebnissen in der Gastronomie und lässt den Leser im Unklaren darüber, wie es mit Sophie weitergeht.

Ansatzpunkte zur Hoffnung bietet das Buch aber nicht.

Von daher kann ich einen " Triumph der Literatur über die Niederlagen des Lebens" nicht erkennen.

Der Schreibstil ist sehr originell .


Aus zwei Verben zusammengesetzte Wortschöpfungen( "kraquäkte" , " widernörgelte") und Wörter, deren graphische Anordnung ihre Bedeutung noch zusätzlich betont( ZB in Form einer Bombe) wären hier zu nennen.

Nach der anfänglichenEuphorie habe ich das Buch etwas wirr gefunden und hätte mir ein Happy End für Sophie gewünscht, anstatt des unbefriedigenden Schlusses


Drei Sterne