ein gefühlvoller Ausflug in eine fremde Welt für alle Sinne

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elke seifried Avatar

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Noor ganz mit den Vorbereitungen für das traditionelle Picknick zum Hochzeitstag in Beschlag genommen, wird bitter mit der Realität konfrontiert, ihr Ehemann betrügt sie. Da sie ihrem Vater Zod in einem Brief von der Trennung berichtet und er sie nach über dreißig Jahren, in denen er bestrebt war, sie in einem sicheren Land lebend zu wissen, endlich einmal zu sich nach Teheran einlädt, sitzt Noor wenig später mit ihrer pubertierenden und gar nicht begeisterten Tochter im Flieger.

Der Leser erfährt in mehreren Teilen eine bewegende Familiengeschichte und wird gelungen in den Iran entführt. Im ersten Teil reist man an und erfährt, was Zod und seine Familie in den Iran verschlagen hat, wie es zum Cafe Leila gekommen ist und wer alles zur Stammbesetzung gehört. Zudem wird man Zeuge, wie sehr sich Tochter Lily verschließt. In einem zweiten Teil wird Zods Geschichte erzählt, wie sehr er an seinem älteren Bruder hing, warum er in dessen Fußstapfen treten musste und warum er trotz einer arrangierten Ehe die große Liebe gefunden hat. Auch was Schreckliches mit seiner Pari geschah, ist hier Thema. In einem weiteren Teil wird Noors Geschichte erzählt, wie es ihr in den Jahren fernab ihrer Familie erging, samt Ausbildung, Hochzeit und Geburt ihrer Tochter Lily. In einem vierten Teil erfährt man dann von dieser und ihren Eindrücken in dem fremden Land. „Wie konnte sie die himmelschreiende Diskriminierung ertragen, die hier überall herrschte?“ und muss bibbern, weil sie sich in Gefahr bringt. Aber mehr will ich an der Stelle gar nicht verraten. „Bleib nicht zu lange, sieh nicht zu, wie dein Vater schwächer wird.“ Wie wird es weiter gehen?

Der gefühlvolle, mitreißende Schreibstil der Autorin hat mich von Anfang an gefangen genommen. Ich habe ein richtiges Wechselbad der Gefühle erlebt. Ich hatte Angst, ich war schockiert und entsetzt, ich habe mit gefiebert, ich habe mich gefreut, und ich habe mit gelitten. „Morad hatte ihn beschämen, ihn fürs Leben strafen wollen, aber er hatte sich zu rasch abgewandt, um zu erkennen, dass sein brutaler Händedruck Zod lediglich von der erzwungenen Treue zu einem grobem Bruder befreit hatte, der ihn nicht liebte.“ Das ist nur ein Beispiel für eine schwierige Beziehung unter den Familienangehörigen, die hier so gefühlvoll aufs Papier gebracht werden.

Zod habe ich von der ersten Seite ab ins Herz geschlossen, so einen Vater oder Opa kann man sich eigentlich nur wünschen. Er ist selbstlos, herzensgut und mit seinen leckeren Speisen, die vor Leidenschaft nur so sprühen, erkocht er sich ganz klar jede Zuneigung. Noor, sicher weil sie auch so früh fern ab der Familie auf eigenen Füßen stehen musste, ist etwas orientierungslos, ich konnte mich super gut in sie hineindenken. Während mir Lily anfangs noch wegen ihrem furchtbaren Trotz und ihre Ungerechtigkeit wenig sympathisch war, mochte ich sie am Ende so richtig gerne. Das sind nur ein paar wenige Beispiele dafür, welch tolle Charaktere die Autorin hier geschaffen hat. Aber auch alle anderen Darsteller sind individuell und liebevoll gezeichnet, bei Waisenjunge Karim angefangen, der durch den Besuch noch erfahren darf, was es bedeutet Kind sein zu dürfen, über die kleine Nebenrolle des Monsieur Simon, der Zod Paris zeigt, bis hin zu Ferry, die mir mit ihrem Schicksal fast das Herz gebrochen hat.

Die Autorin liebt das Kochen und das ist auch in ihrem Roman zu merken, denn auch Zods Leidenschaft dafür ist grenzenlos. Ich hatte beim Lesen ganz oft einen wässrigen Mund bei all den persischen Köstlichkeiten, wie Safranhähnchen oder Naanbrot um Schafskäse mit Walnüssen und Basilikum zu einem Glas frisch gepressten Granatapfelsaft. Liebend gerne hätte ich mich von Zod auch einmal in seinem Cafe Leila verwöhnen lassen.

„Wie sollte er Lily erklären, was Säureangriffe waren? Er konnte doch selbst eine Welt nicht begreifen, in der so etwas möglich war, in der ein unschuldiges Mädchen verätzt wurde, nur weil sie sich einem lächerlichen Heiratsantrag widersetzt hatte.“, „Die Wärter waren an Mütter und Väter, Ehemänner und Ehefrauen gewöhnt, die sich die Fingernägel an den Toren blutig kratzten.“, als Leser erhält man hier einen beeindruckenden und unheimlich interessanten Einblick in die Lebenswelt im Iran. Aber nicht nur die schockierenden Seiten, und die strengen Regeln sondern auch die schönen Traditionen, die zwischen all dem Grauen zu finden sind, werden angesprochen, was mir gut gefallen hat.

Ich liebe Zimt, hatte beim Titel schon den Geruch in der Nase und ich interessiere mich sehr für fremde Kulturen, deshalb habe ich zum Glück zu diesem berührenden, ergreifenden Roman gegriffen. Mir wäre wirklich etwas entgangen, ich war begeistert. Volle Begeisterung und fünf mehr als verdiente Sterne.