Tiefer Einblick

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
pajo47 Avatar

Von

Einen tiefen Einblick erhalten wir in das Leben von Gretel, die als Tochter des KZ Kommandanten in direkter Nachbarschaft zum Vernichtungslager gelebt hat. Gretel flieht mit ihrer Mutter nach der Hinrichtung des Vaters zunächst nach Paris, um dort unter neuem Namen ein neues Leben anzufangen. Das misslingt. Nach dem Tode ihrer Mutter kommt sie dann nach einer Zwischenstation in Australien nach England, wo sie den Geschichtsprofessor Edgar heiratet und in einer schönen Wohnung in Mayfair lebt. Nach dem Tod Edgars lebt sie als über 80-jährige weiter allein in der Wohnung. Ein Ehepaar mit einem kleinen Sohn zieht in die Nachbarwohnung ein. Gretel merkt bald, dass der Mann ein Familientyrann ist und seiner Frau und seinem Sohn Gewalt antut. Sie muss sich entscheiden, ob sie für den Preis der Veröffentlichung ihrer Herkunft dem Treiben des Despoten ein Ende setzen soll.

Das Buch ist sehr gut lesbar. Ich las vorher den Hinweis, dass man unbedingt den Vorgängerband "Der Junge im gestreiften Pyjama" gelesen haben müsse, um dieses Buch zu verstehen. Ich kenne den Vorgängerband nicht und denke, dass ich aber trotzdem alle Zusammenhänge herstellen konnte und Dinge aus dem ersten Band, die für diesen Roman wichtig sind, auch so aus dem Inhalt gut erschließbar waren.

Gretel wird ihr Leben lang die Schuld nicht los. Es ist eine doppelte Schuld. Einmal trägt sie Schuld am Tode ihres kleinen Bruders. Zum anderen hat sie Schuld auf sich geladen, weil sie die Augen vor dem Grauen, was sich im Vernichtungslager vor ihren Augen abgespielt hat, verschlossen hat. Immer wieder zieht sie sich auf den Standpunkt zurück, dass sie ja damals noch ein Kind war und das alles nicht richtig durchschaut hat.

Hin und wieder erscheint mir Gretel im Buch etwas zu naiv gezeichnet. Aber vielleicht wäre es ohne eine gewisse Naivität auch gar nicht möglich, ein Leben zu führen, wie Gretel es die vielen Jahre getan hat.