Stimmungsvolles Zeitbild mit kleinen Störungen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
_cooks.books_ Avatar

Von

Die Prämisse von Helga Bürsters neuem Roman 'Als wir an Wunder glaubten' ist faszinierend und, hinsichtlich der thematischen Fokussierung, bisher wenig beleuchtet. Angesiedelt im Nachkriegsdeutschland der späten 1940er Jahre verfolgt der Roman die schwerfällige und mühsame Modernisierung des norddeutschen Dorfes Unnenmoor, das zwischen den Gespenstern der Vergangenheit und der Angst vor der Zukunft in immer neue Konflikte gerät. Im Vordergrund stehen die Geschichten von Anna und Edith, die die Kriegsjahre mit ihren Kindern im Dorf verbracht und die Hoffnung auf die Rückkehr ihrer in Russland verschollenen Männer längst aufgegeben haben. Als plötzlich einer von ihnen, schwer von der Brutalität der zurückliegenden Jahre gezeichnet und ohne Gedächtnis, zurückkehrt, wendet sich die gemeinsame Geschichte der Frauen. Plötzlich erwacht ein alter Aberglaube wieder und, anstelle der vom Faschismus gezeichneten Jahre, kommen die längst verloren geglaubten Geister der Vorzeit wieder ans Licht. Doch wie verträgt sich dieser Aberglaube mit den Versuchen der Modernisierung, der Trockenlegung des Moores und den ersten Zeichen des einsetzenden Wirtschaftswunders? Diesen Fragen folgt Helga Bürsters Prosa einfühlsam.

Insgesamt hat mich der Roman und besonders sein Setting überzeugt. Der einzige, aber anhaltende Kritikpunkt liegt auf dem sporadischen und scheinbar willkürlichen Einsatz des Plattdeutschen. Obwohl die eingestreuten Sätze zur Stimmung beitragen und das norddeutsche Umfeld veranschaulichen sollen, stehen sie als störende Unterbrechungen heraus. Charaktere, deren Dialoge seitenweise auf hochdeutsch verlaufen, sprechen sätzeweise plattdeutsche Floskeln oder Flüche aus und unterbrechen damit den Lesefluss. In den eingestreuten Wendungen wird die künstliche Konstruktion der ansonsten stimmungsvollen Atmosphäre allzu deutlich. Abgesehen von diesen Störungen ist das Buch jedoch gerade für diejenigen lesenswert, die sich für die unmittelbare Nachkriegszeit jenseits der urbanen Ballungszentren interessieren.