Starke Charaktere und eine Geschichte mit Tragik, Humor und Kreativität

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kwinsu Avatar

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Im Norden Schwedens: Máriddja ist sterbenskrank und ihr Gatte Biera schwindet immer mehr in die Demenz. Stur wie die alte Samin ist, lässt sie sich nicht behandeln und kämpft an verschiedenen Fronten gegen jegliche Hilfe oder Kontaktaufnahme. Nur ihre Vergangenheit lässt sie nicht los und immer wieder kehren ihre Gedanken zu ihrem verlorengegangenen Neffen, dem sie einst ihre ganze Liebe schenkte. Eine Freundin findet sie in der Stimme aus der "Telefonapparatmaschine" namens Sire, die sie bei ihren Vorhaben kräftigend zu unterstützen scheint.

Tina Harnesk ist ein humorvoller wie auch tragischer Roman zugleich gelungen, der eine bewegende Familiengeschichte als Kern hat. Die Autorin glänzt mit besonders kreativen Metaphern, die mich oft zum Lachen gebracht haben. Die Hauptfigur Máriddja ist eine sture und eigenwillige alte Dame, die für meinen Geschmack aber oft zu überspitzt gezeichnet wurde. Sie wartet mit Ideen und Handlungen auf, die teils martialisch sind, teils überhaupt nicht nachvollziehbar - allerdings werden sie im weiteren Geschehen des Romans allesamt aufgelöst und dadurch entsteht ein tief gezeichnetes Bild der Gedankenwelt der Protagonistin. Die Figur ihres Gatten Biera ist hingegen besonders gut gelungen und er scheint in seiner dementen Welt sehr glücklich zu sein - ich finde es schön, dass hier das Thema Demenz eben nicht mit der üblichen, drückenden Schwere beschrieben wird. Weitere Nebenfiguren werden ebenso liebevoll und detailreich gezeichnet und für mich war es ein Genuss, den einzelnen Figuren zu folgen.

Besonders hervorzuheben ist auch, dass die Autorin das dunkle Kapitel Schwedischer Geschichte, bei der es um Zwangsumsiedlungen der Sami geht, immer wieder in die Geschichte einwebt, darauf aufmerksam macht, aber nicht zu aufdringlich den mahnenden Zeigefinger hebt, sondern einfach beschreibt, welche Auswirkungen die Umsiedelungen auf die indigene Bevölkerung in ihrer emotionalen Grundfeste hatte. Überhaupt - wie sie die Besonderheiten der Sami beschreibt, ist wunderschön. Anfangs dachte ich mir, dass es gut gewesen wäre, wenn sie einige Begriffe erörtert hätte, aber Harnesk schafft es ohne eine explizite Erklärung, den Leser:innen zu Verstehen zu geben, was gewisse Ausdrücke bedeuten.

Überhaupt ist ihre Sprache sehr bildgewaltig, kreativ und flexibel und doch schafft sie es, ihren Charakteren eine Tiefe zu verleihen. Ab und an übertreibt sie es aber für meinen Geschmack mit der Kreativität, manche Handlungen sind mir zu übertrieben ausgeartet und an etlichen Stellen zieht sich der Text in die Länge. Das entschuldigt aber das berührende Ende, das in einem langsam herangeführten und stimmigen Aufgang aller Handlungsstränge mündet.

Mein Fazit: "Als wir im Schnee Blumen pflückten" ist ein lesenswerter Roman über eine tragische Familiengeschichte im hohen Norden mit samischen Elementen, der humorvolle, manchmal auch übertriebene Momente hat und sich durch stark gezeichnete Charaktere auszeichnet. Trotzdem es zwischendurch seine Längen hat, werden die Leser:innen am Ende mit einem stimmigen Ausgang belohnt.