Ein Leben in Hass und Verachtung

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"Als wir Schwäne waren" hatte ich bei Seite 30 beiseite gelegt, um es dann wieder aufzunehmen und in einem Rutsch zu lesen. Am Ende wollte ich den Ich-Erzähler als kleinen Jungen gerne an die Hand nehmen und ihn vor der bösartigen Nachbarin schützen, die ihn das Vogelküken nicht streicheln lassen wollte. Wie ein Küken war er selbst aus seiner persischen Heimat gefallen, wo Brote warm und weich sind, es Goldfische zu Neujahr gibt und man Tauben auf dem Dach hält; hinein in ein Land, in dem die Roggenbrote, hart wie Ziegelsteine, innen weich wie Sauerteig, schon von seinen Eltern gleich weggeschmissen wurden, Kornellkirschen verschmäht werden und niemand einen Soziologie Abschluss aus der Islamischen Republik Iran zu schätzen weiß.

Der Erzähler schildert besonders eindrücklich seine Freundschaften und Feindschaften. Ein gewisser Langner ist ein stadtbekannter Nazi und Menschenhasser, dem sein Kumpel Dimitri eine Lektion erteilt. Man spürt förmlich die Genugtuung des Erzählers da Langner, ihm auch die Freundin ausgespannt hatte. Viele seiner Freunde dealen wie er, kommen um, oder landen im Gefängnis, bleiben sich und dem Viertel aber treu.
Trotz aller Härte ist die Sprache bisweilen poetisch: "Und dann versiegt unsere Kindheit. Die Jahreszeiten wurden erwachsen." (S.60)
Solche Sätze stehen in starkem Kontrast zu der Wut des Ich-Erzählers, der spricht von dem "Fluch, mit dem ich die Erde, das Land belegt habe...dieses Monster" (S.176).

Hätte den kleinen Jungen doch einer an die Hand genommen, wird sich jetzt mancher denken...