Außergewöhnliche Pilgerreise mit Papagei

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Die hochbetagte Edna entdeckt im Magazin „Der Stern“ ein Foto von Jacob, den sie seit Kindertagen nicht mehr gesehen hat. Sie erkennt ihn sofort an einer alten Verletzung, die er sich während ihrer gemeinsamen Zeit als sogenannte Schwabenkinder zugezogen hat. Aus dem Zeitungsartikel erfährt sie Jacobs derzeitigen Aufenthaltsort - das Krankenhaus in Ravensburg. Ohne lange zu überlegen macht sie sich mit Rucksack und Papagei Emil bepackt auf den Weg von Südtirol nach Ravensburg. Sie folgt dabei der Route, der sie bereits als Schwabenkind gefolgt ist. Nach all den vergangenen Jahrzehnten möchte sie Jacob endlich wiedersehen und eine alte Schuld begleichen.

Das Erzähltempo ist gemächlich und passt sehr gut zu Ednas hohem Alter und dem langen Weg, den Edna in großen Teilen zu Fuß zurücklegt. Ednas Reise ist zugleich auch ein Ausflug in ihre eigene Erinnerung. In Rückblenden erfahren wir von ihrer Freundschaft mit Jacob, vom harten Arbeitsleben der Schwabenkinder auf den Höfen sowie den Misshandlungen und sexuellen Übergriffen, die diese Kinder erlitten haben.

Wir begleiten Edna und ihren Papagei auf ihrer persönlichen Pilgerreise nach Ravensburg und zu Jacob. Edna stößt auf zahlreiche Hindernisse, gibt nicht auf und begegnet sehr unterschiedlichen Menschen. Ednas Reise ist mal berührend, mal spannend, mal skurril, mal traurig und mal witzig. Ich habe Edna über weite Teile ihrer wichtigen Reise gerne begleitet, mit ihr gemeinsam gebangt, gehofft und mich gefreut. Immer wieder gab es jedoch Abschnitte, wo ich der Geschichte nicht mehr folgen konnte. Die beschriebenen Szenen und Begegnungen wirkten auf mich konstruiert und an den Haaren herbeigezogen. Ein Roman muss für mich nicht realistisch sein, aber auf jeden Fall glaubwürdig. Diese Glaubwürdigkeit habe ich an einigen Stellen vermisst.

Das Ende des Romans ist für mich wieder schlüssig und gut gelungen. Als Gesamtwerk würde ich diesem Roman, der sich übrigens angenehm leicht lesen lässt, gerne 3,5 Punkte geben. Wegen der vielen schönen Bilder, die ich von Ednas Reise mit Papagei im Kopf habe und den sehr gelungenen Abschnitten über die Situation der Schwabenkinder runde ich gerne auf vier Sterne auf. Im Anhang findet sich noch ein sehr lesenswertes Interview mit der Autorin.