Reise der Erinnerungen

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In ihrer Kindheit war Edna eines der Schwabenkinder, Kinder die aus Armut von Südtirol ins Schwabenland geschickt wurden, um dort hart zu arbeiten. Heute ist sie beinahe neunzig Jahre alt und lebt, zusammen mit dem Papagei Emil, genügsam in einem kleinen Haus in ihrer Heimat. Hilfe erhält sie gelegentlich von ihrer Nachbarin Adele, deren Mann Max auch bereits für sie einen Platz im Seniorenheim reserviert hat. Als sie nun in einer Zeitschrift den Bericht über ein Unwetter, das einige Orte am Bodensee hart getroffen hat, liest und auf einem Foto Jacob, ihren Freund aus der Zeit im Schwabenland, erkennt, beschließt sie sogleich ihn aufzusuchen, um endlich eine alte Schuld zu begleichen. Mit Rucksack und Wanderstock, Papagei Emil in einer Transportkarre, macht sie sich auf den Weg, um die Alpen zu überqueren. Dabei erinnert sie sich an damals, an Jacob und ihre Flucht …

Romina Casagrande wurde 1977 als Tochter einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters geboren. Sie studierte klassische Literatur und Geschichte, arbeitete für Museen in Südtirol und unterrichtete als Mittelstufen-Lehrerin. Mit „Als wir uns die Welt versprachen“ gelang ihr der Durchbruch als Autorin. Sie lebt in Meran/Südtirol, zusammen mit ihrem Mann, zwei Hunden und drei Papageien.

Der Gedanke, eine seinerzeit durch Not und Entbehrung entstandene Kinderfreundschaft im Alter wieder aufzufrischen, fand ich zunächst sehr gut. Auch dass seither fast achtzig Jahre vergangen sind und dass Edna etwas verwirrt und hilfsbedürftig erscheint, störte mich keineswegs. Doch als sie sich dann zu Fuß aufmacht und auch gleich die Hälfte ihrer Habseligkeiten verliert bzw. vergisst, kamen mir erste Zweifel. Dass während ihrer Wanderung so viele hilfsbereite Menschen auftauchen, die sie mit Essen versorgen und ihr Unterschlupf für die Nacht anbieten, ist ziemlich unwahrscheinlich. Als sie dann aber am Arlberg durch die Felsen kraxelt und die Transportkarre mit dem Papagei hinter sich herzieht (die Fahrstraße über den Pass wäre ja zu einfach gewesen), fand ich die Geschichte nur noch grotesk. Konnte die Autorin die alte Dame nicht einfach in den Zug setzen und die Alpen über den Brenner überqueren lassen?

Wesentlich besser gelöst fand ich den Teil, der die Erlebnisse der Kinder behandelt, die infolge unvorstellbarer Armut von Südtirol nach Schwaben geschickt wurden, um dort unter härtesten Bedingungen zu arbeiten. Hier hat die Autorin den richtigen Ton getroffen, der den Leser berührt und ihn mitleiden und mitfiebern lässt. Es ist eine Tatsache, und man hat auch schon davon gehört, dass die Kinder dort in unwürdigen Verhältnissen lebten, hart arbeiten mussten und dabei geschlagen und missbraucht wurden. Leider ist dieser Teil der Geschichte wesentlich knapper ausgefallen. Gerne möchte ich mich weiter darüber informieren und werde mir deshalb entsprechende Lektüre besorgen (Elmar Bereuter: „Die Schwabenkinder“ ISBN 978-3-492-31284-4).

Zusammenfassend kann ich leider nicht behaupten, dass mich die Geschichte besonders mitgerissen hätte. Sie lässt sich zwar ganz gut lesen, jedoch ist vieles zu unwahrscheinlich und einiges maßlos überzogen, um wirklich glaubwürdig rüber zu kommen.