Es pustet Federn

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constanze_pachner Avatar

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Was kann Literatur bei einem Schreibenden berührenderes anrichten, als ihn selbst zum Schreiben, zum Kreieren von Wortverbindungen zu animieren? Nach mir - nichts! Das ist für mich das Höchste der Gefühle - abtauchen in einem Zustand, der so kribbelt, dass man einfach schreiben muss. So entstand dank #alswirvögelwaren von @ayalloydbanwo - erschienen im @diogenesverlag - der folgenden Text von mir:

Federn fallen einfach so und ändern die Richtung.
Federn kitzeln nervend und streicheln die Schmach.
Federn schmeicheln der Haut und strahlen, auch wenn sie manchmal ungeahnt verblassen.
Federn fliegen von da nach da und erzählen was von der Welt.
Federn verwandeln eine Tristesse in ein zu fühlendes Bunt aus gelebten, lebenden und noch kommenden Federn. (Nini Pachner)

Zwei unterschiedliche Erzählstimmen flattern gemächlich durch die Geschichte, suchen einen gemeinsamen Blick, um sich die Hände für einen lebenslangen Tanz reichen zu können. Darwin spricht Pointen setzend in nüchterner Klarheit, Yejide hingegen verzaubert und fordert den Lesenden in jedem Satz mit einer musterumschweifenden, bildhaft bunt fruchtverpudernden Sprache.
Der Roman ist kein Pageturner, aber pustet behutsam zwitschernd die Seiten so um, als wären sie unvergänglich. Er ist wie eine streichelnde Windbrise, die Dir Deiner aufgeglühten Haut eine zarte Gänsehaut schenkt. Genussvoll abgekühlt verlangt die Lektürebrise nach einer Pause, in der man das Buch zur Seite legt, um sich sudelnd den wärmenden Sonnenstrahlen widmen zu können. Ausgestreckt flanierend wird so lange über Gelesenes gegrübelt bis Federn deine Augen bepustend das Weiterlesen anstacheln.
Ein Lesevergnügen wie erholsam dahinplätschernde Strandtage, die ohne Hast und Sogkraft verlebt werden. Ich könnte so viele Sätze aus dem vogelzwitschernd bezirzenden Sprachuniversum der Autorin zitieren. Ich konnte mich auf zwei festnageln.

Die Toten - 'Neutote' und 'Alttote' - erhalten in dieser Geschichte ein Leben - ein Leben danach, mitten unter uns.

"Die Luft ist weich und klar, und alle Lebenden und alle Toten kommen zur Ruhe wie eine alte Frau, die in ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda sitzt und sich die Röcke richtet." (S. 327)

Das ist ein so plastisch gefühlvolles Bild für einen lebendigen Einklang mit dem Leben und dem Tod. Mir war als säße ich neben der alten Frau im Schaukelstuhl auf der Veranda, die mir Kopf nickend die Hand hielt und zu mir sagte, dass alles, aber auch alles weiter geht, so wie es sein soll.

Ins Staunen versetzt hat mich ebenso das elegante, kraftvoll vor Lust strotzende Spracherzählspiel von Yejide über den ersten Sex der beiden.

"Sie fühlt sich geschwollen, mit mehr Wasser beladen, als ihr kleiner Körper fassen kann, und er geht zwischen ihre Schenkel und trinkt ihren Regen in sich hinein, und das Bettfloß reißt sich von seiner Vertäuung, und er immer schneller und tiefer und mehr und mehr, bis ihr Körper über die Ufer tritt und die Welt überschwemmt." (S.271)

Wie kann man nur so gute Worte finden für diesen Akt?, später schreibt Ayanna Lloyd Banwo von 'Welten Zwischen ihren Schenkeln' - ja genau, hier ist mit diesem Debütroman eine neue Sprachkünstlerin mit einer ganz eigenen, beeindruckenden Welt geboren. Sicherlich wird da noch so einiges kommen. Ich freue mich drauf!

Liebsten Dank an @diogenesverlag für das Rezensionsexemplar!