Zwei Frauen mischen die Tenniswelt auf

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Wie bewandert seid Ihr auf dem Gebiet des Tennissports und seiner Geschichte? Ich kenne nur ein paar bekannte Namen der letzten vierzig Jahre und habe noch nie ein Match live gesehen. Trotzdem habe ich mit großem Interesse ein Buch über Tennis gelesen. Denn die Geschichte der beiden Frauen, die in den 50iger Jahren die verkrustete Szene des weißesten und snobistischsten Sports überhaupt  aufmischten, hat mich berührt. 

Der Sportjournalist Schoenfeld erzählt in diesem Buch nicht nur über die Tennisspielerin Althea Gibson, wie der Titel vermuten lässt. Er greift weiter und berichtet über die ungewöhnliche, doch sehr verlässliche Freundschaft zwischen zwei Tennisspielerinnen und deren persönliche und sportliche Entwicklung. Sie waren beide Außenseiterinnen in der Tenniswelt der 50iger Jahre, die US-Amerikanerin Althea Gibson und die Britin Angela Buxton, die eine farbig, die andere jüdisch.

Der Autor nimmt den Faden an einer überraschenden Stelle auf. 1995 rief die frühere Wimbledon-Gewinnerin Althea Gibson bei Angela Buxton an, die gerade in einem Pensionärsdomizil in Florida ihr Essen auf dem Herd brutzelte. Althea Gibson, die bekannt wurde, als sie die Schranken für farbige Spieler*innen in Tenniswettbewerben einriss, war im Alter mittellos und nicht mehr in der Lage ihre Rechnungen oder lebenswichtige Medikamente zu bezahlen. Deshalb zog sie ernsthaft in Betracht, sich das Leben zu nehmen. Doch vorher wollte sie sich noch von ihrer alten Freundin Angela verabschieden.

Angela Buxton war die Doppelpartnerin Gibsons, mit der sie 1956 in Wimbledon im Damen-Doppel gespielt hatte. Doch es wurde kein Abschied. Buxton hörte nicht nur ihrer alten Freundin zu, sondern sie half ihr finanziell und organisierte Hilfe in der Tenniswelt. Damit führt uns Schoenfeld in eine Freundschaft ein, die sich über mehr als 40 Jahre erstreckte.

Schoenfeld nimmt sich eingehend den frühen Werdegang beider Frauen vor. Von der Kindheit bis zu ihrem ersten Treffen 1951, als der Teenager Angela Buxton die Tennisspielerin Althea Gibson um ein Autogramm bat. Der unscheinbare Start eines außergewöhnlichen Verhältnisses, das ein Leben lang hielt. Gibson und Buxton brauchten beide einen langen Atem und großes Durchhaltevermögen, um ihre sportlichen Ziele zu erreichen.

Die 50iger Jahre waren eine schwere Zeit für zwei Sportlerinnen, die sich nicht „in der Norm“ befanden. Hautfarbe, Schichtzugehörigkeit und Religion waren in der Gesellschaft und auch im Sport teilweise noch Ausschlusskriterien. In USA herrschte Rassentrennung. Bis 1950 durften Farbige in den USA nicht gegen weiße Tennisspieler*innen antreten! In britischen Tennisclubs waren Menschen jüdischen Glaubens als Clubmitglieder oder beim Spiel ausgeschlossen.

Den jungen Tennisnachwuchstalenten, der farbigen Althea und der jüdischen Angela wurde immer wieder vermittelt, dass sie nicht erwünscht sind. Sie wurden subtil von anderen Spielerinnen ausgegrenzt und auch mal angefeindet, auf dem Platz diskriminiert und ausgebuht.

Die Freude war groß, als sich die beiden Außenseiterinnen gefunden hatten. Wie gut es tut, einfach mal jemanden zum Reden oder zum gemeinsamen Essen zu haben. So waren die beiden im Lauf der Zeit gute Freundinnen geworden. Als sie als Team ihren gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten, spielten sie als Partnerinnen im Doppel das Tennis ihres Lebens.

Ein bewegendes Beispiel der großen weiblicher Solidarität fand bei einem Spiel im French Open statt:
Althea und Angela spielten gegeneinander in einem Semifinale in Paris. Die Gewinnerin würde ins Finale kommen, was für beide von großer Bedeutung wäre. Der BH-Träger von Althea riss am Anfang des 3. Satzes. Angela zeigte eine Reflexreaktion, rannte um das Netz und schützte Althea vor den Blicken der pfeifenden Menge, verließ den Court und lief mit ihr in die Umkleidekabine. Die französischen Verantwortlichen wollten Althea disqualifizieren, weil sie den Platz verlassen hatte. Angela sollte sich einverstanden erklären und würde sofort Finalistin. Angela verweigerte dies, Althea wäre ihre Freundin, das würde sie ihr nicht antun. Am Ende setzte sich Angela durch.

Die hochtalentierte Althea Gibson hat immer wieder auf den Tennisplätzen die Rassentrennung aufgebrochen und bahnte Wege für spätere farbige Sportler*innen. Deshalb wurde sie immer wieder nur mit ihrer Hautfarbe definiert „Schwarzes Naturtalent“, „das farbige Mädchen aus Harlem“. Sie wollte nie politische Aktivistin oder Symbolfigur sein, sondern nur ein Tennisstar werden. Aber sie war stolz auf ihre Herkunft, rebellisch und stur. Als erster farbiger Mensch gewann sie die U.S. Championships, die French Open, in Wimbledon und verbuchte etliche Grand Slam Siege. Doch die Zeit, vom Tennisspielen zu leben, war noch nicht gekommen. Nach ihrer Tenniskarriere gab es keinen Platz mehr für sie.

FAZIT

Im englischen Original wird anders als beim deutschen Titel „Althea Gibson. Die Geschichte einer vergessenen Heldin“ deutlicher, dass es sich bei diesem Buch nicht ausschließlich um eine Biographie Gibsons handelt. Der Titel „The Match: Althea Gibson and a Portrait of a Friendship” verweist deutlicher auf die Spielerin Angela Buxton und die Freundschaft dieser beiden Ausnahmesportlerinnen. Die Freundschaft und die Biographie Buxtons nehmen einen deutlichen Teil der Geschichte ein. Ihr Name oder ihr Bild hätte deshalb eigentlich auch aufs Cover gehört. Dieses freundschaftliche Verhältnis offenbart viel über den Charakter der beiden Spielerinnen, die Hindernisse im sportlichen und gesellschaftlichen Bereich.

Bruce Schoenfeld hat als Sportjournalist sehr perfektionistisch die Wettkampfergebnisse und –verläufe von Althea Gibson, Angela Buxton und manch anderer Tennisspielerin jener Zeit recherchiert und analysiert. Diese Vielzahl an kleinsten Details überforderte mich als Leserin gelegentlich. Schließlich bin ich keine Tennisfanatikerin. Da wäre mir eine tabellarische Aufstellung im Anhang lieber gewesen. Durch das Übermaß an spieltechnischer Information verliert man sonst nämlich die Anteilnahme am persönlichen Schicksal der Spielerinnen.

Trotz seiner Detailverliebtheit gelingt es Schoenfeld, die Geschichte dieser beiden Frauen berührend zu erzählen. Er vermittelt die Stärke ihrer Persönlichkeiten, die sich gegen Intoleranz, Rassismus und Engstirnigkeit stellten und schließen bezwangen. Es wurde Zeit, dass für die einstmals berühmteste Tennisspielerin der Welt endlich ein würdiges Andenken gesetzt wurde. Es hat übrigens fast zwei Jahrzehnte gedauert, bis Evonne Goolagong, die aus einer australischen Aborigines-Familie stammt, als sogenannte „farbige“ Tennisspielerin so erfolgreich in ihre Fußstapfen treten konnte.

Die vielen Hindernisse durch die diskriminierende Rassentrennung in USA und die Diskriminierung und den Antisemitismus im Tennissport waren mir in dieser drastischen Form gar nicht so bewusst gewesen. Der Autor hat nicht nur die berührende Biographie einer farbigen Tennisspielerin und einer ungewöhnlichen Freundschaft geschrieben. Er hat auch ein Stück Zeitgeschichte im Bereich des Sports erlebbar gemacht.

Eine Leseempfehlung gibt es von mir auf jeden Fall!