Am Anfang durchhalten, es lohnt sich

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elchi130 Avatar

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Barbarotti ist plötzlich Witwer und sein Leben gerät aus den Fugen. Als er wieder zum Dienst erscheint, bekommt er einen fünf Jahre alten Fall, den er noch einmal durchleuchten soll. Vor 23 Jahren hat eine Frau gestanden, ihren Mann erschlagen und anschließend zerstückelt zu haben. Sie wird dafür als Mörderin verurteilt und verbüßt ihre Strafe im Gefängnis. 18 Jahre später lebt sie wieder mit einem Mann zusammen, der plötzlich verschwindet. Hat sie ihn wieder auf dem Gewissen? Vor fünf Jahren konnte ihr nichts nachgewiesen werden und nun soll Barbarotti sich den Fall ansehen und schauen, ob er zu neuen Erkenntnissen gelangt. Dabei weiß er nicht, ob er nur beschäftigt werden soll, weil sein Chef ihm noch keinen aktuellen Fall zutraut oder ob er wirklich ermitteln soll. Nach einigem Zögern, denkt er sich, er kann genauso gut ermitteln, wenn ihm dieser Fall schon aufgetragen worden ist…

Das erste Kapitel ist ein kleines Meisterstück. Barbarotti wacht auf und erkennt langsam, dass seine Frau, die neben ihm im Bett liegt, gestorben ist. Das langsame Begreifen Barbarottis, dass etwas nicht stimmt und seine Welt sich für immer verändert hat, hat Hakan Nesser unglaublich gut eingefangen und dem Leser mitgeteilt.

Doch dann kommt eine Phase, in der langatmig die Gedankengänge Barbarottis eingefangen werden. Seine Trauer um seine Frau, die Familie, die jetzt in seiner alleinigen Verantwortung liegt, die fünf Kinder, die ihn brauchen, aber auch für ihn da sind. Schließlich führen diese Gedankengänge zu einer Zwiesprache mit Gott. Die Handlung des Buches steht in dieser Zeit für mein Empfinden und kommt überhaupt nicht vom Fleck. Ergänzt werden diese etwas über 100 Seiten von Ellen Bjarnebos Gedankengängen, der Mörderin, die die Hauptfigur bei den Ermittlungen darstellt. Hier ist es für den Leser nicht einfach, den Gedankengängen einen Sinn abzuringen und die losen Fäden ihrer Gedanken einzuordnen.

Doch nach etwas über 100 Seiten kriegt Hakan Nesser die Kurve und steigt in die Kriminalgeschichte ein. Hier befinden wir uns auf zwei Zeitebenen. Zum einen werden über Ellen Bjarnebo die Ereignisse geschildert, als ihr Mann erschlagen wurde. Zum anderen begleiten wir Barbarotti bei seinen Ermittlungen. In seinem typisch ruhigen Erzählstil breitet der Autor die Geschichten interessant vor ans aus, sodass wir die Lösung des Rätsels möglichst schnell erfahren wollen. Die Auflösung und Zusammenhänge sind für mich typisch Nesser – einfach toll und stimmig ineinander verflochten. Da stört es mich als Leser auch gar nicht, dass ich Hakan Nesser beim Lesen auf der Spur bin und einen Teil der Auflösung schon sehen kann.

Hakan Nesser ist einer der wenigen Schriftsteller, die es schaffen, zwei Ermittler erfolgreich auf dem Buchmarkt zu platzieren. Gut finde ich auch, dass er mit einem Ermittler aufhört und einen neuen schafft, wenn es für ihn an der Zeit ist. Zudem ist Hakan Nesser auch unabhängig von Barbarotti und Van Veeteren ein großartiger Schriftsteller. Mein Lieblingsbuch von ihm ist und bleibt „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“. Ich lasse mich immer wieder gerne von ihm mit auf die Reise durch eines seiner Bücher nehmen.