Die Suche nach der Wahrheit

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theresia626 Avatar

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Der schwedische Autor Hakan Nesser beendet mit seinem fünften Kriminalroman „Am Abend des Mordes“ die erfolgreiche Barbarotti-Reihe und schickt seinen schwedischen Inspektor mit italienischen Wurzeln und einem Faible für portugiesischen Blues in den frühzeitigen Ruhestand.

Doch vorher erschüttert eine Familientragödie das Haus Barbarotti. Marianne, Gunnars geliebte Ehefrau, stirbt am 29.04.2012. Vier Wochen später ist Barbarottis erster Arbeitstag im Polizeipräsidium Kymlinge. Eva Backman, seine langjährige Kollegin, soll ihn in den fünf Jahre alten, und schon zu den Akten gelegten „kalten“ Fall des verschwundenen Elektrikers Arnold Morinder einarbeiten. Beim Fall Morinder geht es zwar um Morinder, aber er ist nicht die Hauptperson, sondern seine damalige Lebensgefährtin Ellen Bjarnebo, die ihn auch vermißt gemeldet hat. Bjarnebo, die als Schlächterin von Klein-Burma, einem mittelgroßen Bauernhof fünf Kilometer nordöstlich von Kymlinge, bekannt geworden war, hatte 1989 ihren Ehemann Harry Helgesson mit einem Vorschlaghammer erschlagen, zerstückelt und hinter dem Hof im Wald verteilt. Sie hatte ein hartes Leben. „So hart, dass sie eines Tages den einzigen Ausweg gewählt hatte, den sie entdecken konnte: sich des Tyrannen zu entledigen…“ (S. 231) Fünf Monate später wurde die damals sofort geständige Ellen Bjarnebo, die noch vor der Gerichtsverhandlung ihren Mädchennamen wieder angenommen hatte, wegen Mordes und Störung der Totenruhe verurteilt und saß elf Jahre in Schwedens einziger Justizvollzugsanstalt für Frauen in Hinseberg. Im Jahr 2000 wurde sie entlassen und zog im Juni 2006 mit Morinder in eine gemeinsame Wohnung in Rocksta, ein Jahr vor dessen Verschwinden. Dort lebt sie heute immer noch. Was passierte mit Morinder, nachdem er von seiner Fischerhütte am Kymmen mit seinem blauen Moped zu einer Tankstelle gefahren war und eine Zeitung gekauft hatte? Hat Ellen Bjarnebo auch Arnold Morinder getötet, und konnte man ihr das damals nur nicht nachweisen, weil seine Leiche niemals gefunden wurde? Wie sind diesen beiden Fälle miteinander verwoben?

Barbarottis Chef Asunander, der in anderthalb Monaten in den Ruhestand geht, will Licht in diesen dunklen Fall bringen, in dem seiner Meinung nach nicht ordentlich ermittelt wurde. Es ist auch eine Beschäftigungstherapie für den angeschlagenen Barbarotti, der nicht weiß, wie er mit seiner Trauer fertig werden soll oder "hatte Asunander ein persönliches Interesse an diesem Fall?" (S. 52). Bei dem aktuellen Fall des vermutlich vergifteten Schwedendemokraten Raymond Fangström will Asunander ihn nicht dabei haben. Barbarotti tut das, was er am besten kann, er ermittelt. "Außerdem gab es keinen Grund, einen schlechten Job zu machen, nur weil man zufällig das Opfer einer persönlichen Tragödie geworden war." (S. 52) Zunächst sichtet er die alten Ermittlungsakten, nimmt Befragungen vor und verabredet sich schließlich mit Ellen Bjarnebo in einer kleinen Gebirgspension in der Nähe von Vilhelmina im südlichen Lappland. Dort gerät Barbarotti in große Gefahr. Nach dem Gespräch mit Ellen Bjarnebo hat er alle Puzzleteilchen an der richtigen Stelle untergebracht, und er erfährt am Ende auch von Asunander, weshalb ihm dieser wirklich den Fall übergeben hat.

Der Kriminalroman von Hakan Nesser ist in fünf Kapitel eingeteilt. Während Barbarotti verschiedenen Widersprüchlichkeiten in den alten Ermittlungen nachgeht, erfährt der Leser in Rückblenden, was damals wirklich auf dem Bauernhof Klein-Burma geschah, und man nähert sich gegen Ende des Buches dem titelgebenden und schicksalhaften Abend des Mordes. Hakan Nesser hat einen interessanten, tiefgründigen, wendungsreichen und teilweise auch humorvollen Kriminalroman geschrieben, der sich sehr gut lesen läßt und dessen Ende für den Leser völlig unvorhersehbar ist. Barbarottis Trauerarbeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und sein Trauertherapeut Ake Rönn unterstützt ihn in diese Phase. Barbarotti hält immer wieder Zwiesprache mit Gott und versucht, mit seiner verstorbenen Frau in Kontakt zu treten. Er sucht zu seiner Situation passende Bibelstellen und erhofft sich Hilfe durch seinen Glauben. „Am Abend des Mordes“ ist ein sehr guter Kriminalroman, den ich jedem interessierten Leser empfehlen kann.