Nessers Meisterstück

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anne2809 Avatar

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Gerade habe ich die letzten Seiten gelesen und stehe noch ganz unter dem Eindruck dieses faszinierenden Buches.
„Barbarottis persönlichster Fall“ verspricht ein Aufkleber auf dem Cover, und nachdem ich das Buch gelesen habe, kann ich nur zustimmen, bzw. ich denke sogar, dass das auch für den Autor zutrifft, denn er hat viele doch sehr persönlich anmutende Gedanken in diesen Roman einfliessen lassen.
Als was soll man das Buch überhaupt bezeichnen? „Krimi“ trifft es nicht wirklich, „Thriller“ noch viel weniger.
In meinen Augen ist es teilweise eine Kriminalgeschichte, teilweise aber auch ein Buch über Trauer und den sehr persönlichen, eigenen Umgang damit.

Aber der Reihe nach.
Gunnar Barbarotti, schwedischer Ermittler und Protagonist der Serie, erlebt seine persönliche Tragödie, als er eines Morgens neben seiner toten Frau Marianne aufwacht. Ihr Tod kommt plötzlich, aber dennoch nicht ganz unerwartet, denn schon vor anderthalb Jahren hatte sie ein Aneurysma im Gehirn, an dem sie fast gestorben wäre.
Vier Wochen später, immer noch in seiner Trauer gefangen, nimmt Barbarotti seinen Beruf wieder auf und wird mit einem fünf Jahre zurückliegenden Vermisstenfall konfrontiert. Ob es jetzt reine „Beschäftigungstherapie“ ist, weil sein Chef ihm noch keine „richtige“ Polizeiarbeit zutraut, oder ob mehr dahintersteckt, bleibt lange unklar.
Der Fall selbst ist zwar einerseits interessant (zumal es eigentlich zwei Fälle sind, von denen der eine, ein Mordfall, noch viel weiter in die Vergangenheit zurückreicht), andererseits aber auch unspektakulär, denn Barbarotti kann nicht viel tun, außer, die alten Ermittlungsakten zu wälzen und die Beteiligten erneut zu befragen.
Das Ende (und ich hoffe, ich nehme jetzt nicht zu viel vorweg, wenn ich verrate, die Aufklärung) des Falles allerdings ist einfach grandios, vollkommen unerwartet, aber dennoch logisch und schlüssig.
So etwas kann nur ein Meister seines Faches wie Hakan Nesser sich ausdenken, in meinen Augen einer der besten, wenn nicht der beste skandinavische Krimiautor überhaupt, denn alle seine Bücher zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass die Fälle gut durchdacht und bis ins letzte Detail ausgeklügelt sind, sondern außerdem durch Nessers wunderbare Sprache und durch die persönliche Note.
Womit wir beim zweiten Aspekt des Buches sind, der Trauer.
Dieser Teil ist sehr persönlich, und ich möchte auch nicht viel darüber schreiben, man muß es selbst lesen und sich seine eigenen Gedanken dazu machen.
Mich haben manche Passagen sehr zum Nachdenken angeregt.

Mein Fazit: Ein hundertprozentig empfehlenswertes Buch!
Vielleicht nicht für jemanden, der „nur“ einen spannenden Krimi sucht.
Aber wer – wie ich – Nesser und vor allem auch Barbarotti mag, wird begeistert sein.
Wie gesagt: Nessers Meisterstück – aber hoffentlich nicht sein letztes Buch...