Stinkendes Gelächter aus der Unterwelt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
buecherfan.wit Avatar

Von

Hakan Nessers neuer Roman - der fünfte und letzte um Kriminalinspektor Gunnar Barbarotti - beginnt mit einem Paukenschlag: Barbarotti wacht am 29. April 2012 neben seiner toten Ehefrau Marianne auf. Sie ist im Alter von nur 47 Jahren an ihrem zweiten Aneurysma gestorben. Noch in tiefer Trauer und schwer gezeichnet von diesem Schicksalsschlag tritt Barbarotti etwa drei Wochen später seinen Dienst wieder an. Sein Vorgesetzter Asunander will ihn nicht in den aktuellen Fall um einen vergifteten rechtspopulistischen Politiker einbinden, sondern lässt ihn einen fünf Jahre alten ungelösten Fall wieder aufrollen, angeblich, um kurz vor dem Ruhestand noch die eine oder andere Angelegenheit zu klären. Es geht um den fünf Jahre zuvor spurlos verschwundenen Elektriker Arnold Morinder. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens lebte Morinder mit Ellen Bjarnebo zusammen, einer Frau, die 1989 ihren Ehemann Harry Helgesson ermordet und zerstückelt und dafür 11 Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Da lag der Verdacht nahe, dass sie wieder getötet hatte, aber man konnte ihr nichts beweisen. Barbarotti vermutet ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen und nimmt sich auch die alte Akte wieder vor. Genau wie sein Chef findet er schnell heraus, dass bei beiden Ermittlungen schlecht gearbeitet worden ist. Er fragt sich nicht nur, was 1989 und 2007 tatsächlich passiert ist, sondern auch, welche - möglicherweise privaten - Beweggründe Asunander wirklich hat, ihn auf die alten Fälle anzusetzen.
Der Leser folgt Barbarotti auf der Spurensuche, sieht, wie er Puzzlesteinchen zusammenträgt und aufgrund seiner Intuition ahnt, wie alles zusammenhängt. Seine Suche bringt ihn in ein einsam gelegenes Berghotel in Lappland, wo er Ellen Bjarnebo befragt und selbst in Gefahr gerät. Auch der Leser hat zu diesem Zeitpunkt Theorien entwickelt, was vor langer Zeit passiert sein könnte, aber das Rätsel wird erst am Ende gelöst, und dann ist alles doch ganz anders, als man gedacht hat. “Stinkendes Gelächter aus der Unterwelt” (S. 452) - das ist für die verurteilte Mörderin Ellen Bjarnebo der Augenblick der Erkenntnis und zugleich ein schönes Beispiel für Synästhesie, die Koppelung von physisch getrennten Bereichen der Wahrnehmung, hier Gehör und Geruchssinn.
Hakan Nesser hat wieder einen literarischen Krimi auf hohem Niveau geschrieben, in dem die Figur des Gunnar Barbarotti eine zentrale Position einnimmt. Seine Trauer - begleitet von Trauertherapeut Rönn -, seine Versuche, mit der Verstorbenen in Kontakt zu treten und Trost in der Bibel zu finden und schließlich sein fortwährender Dialog mit Gott durchziehen den gesamten Roman und begleiten seine zunehmend erfolgreiche Ermittlungsarbeit. Der Roman ist von großer sprachlicher Qualität mit vielen originellen Metaphern und ausgefallenen sprachlichen Wendungen und besticht gerade durch seine Subtilität und den Verzicht auf Gewaltorgien. Mir hat der Roman sehr gut gefallen, und ich empfehle ihn Lesern, die diese Eigenschaften schätzen.