Elif Shafak lässt mich mit ihren Geschichten immer den Alltag vergessen.

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Elif Shafak ist eine ganz wunderbare Geschichtenerzählerin, die mit „Am Himmel die Flüsse“ ihr Können erneut hervorragend präsentiert. Wir begleiten drei Menschen auf verschiedenen Zeitebenen in London und in Mesopotamien. Das Wasser verbindet sie über Jahrzehnte miteinander mehr oder weniger.

2014 am Tigris: Narin soll getauft werden. Während der Feierlichkeit taucht ein Bulldozer auf und vertreibt die Gesellschaft. Ab jetzt ist an ein ruhiges und friedliches Leben nicht mehr zu denken. Narin erfährt Stück für Stück, was es heißt, Ezidin zu sein. Hinzu kommt noch, dass sie nicht für immer hören wird. Eine seltene Erbkrankheit wird ihr ihr Gehör nehmen. Bis dahin lauscht sie aufmerksam den weisen und liebevollen Worten und den alten Geschichten ihrer Großmutter.

1854 in London: Arthur wird in ärmliche Verhältnisse hineingeboren. Der Vater schert sich nichts um seinen Sohn und versucht noch, seinen Sohn aufgrund seiner Begabung auszubeuten. Die Mutter, die ganz anders zu ihrem Sohn steht und ihm das Beste versucht zu ermöglichen, wird durch Schwermut bald ein Schatten ihrer selbst sein. Im Laufe seines Lebens wird Arthur einiges erleben und auch eine Besessenheit entwickeln, die mich an Grenouille aus „Das Parfum“ von Patrick Süskind erinnern lässt. Es scheint kein Entrinnen zu geben.

2018: Zaleekhah ist Hydrologin, frisch getrennt und hat in einem Hausboot ihre neue Bleibe gefunden. Dort stellt sie sich den Geistern der Vergangenheit.

Elif Shafaks Geschichten wecken Sehnsüchte nach der Ferne, nach dem Neuen und nach der Vergangenheit. Dies gelingt ihr mit Hilfe ihrer einnehmenden und bildgewaltigen Sprache. Ihre Geschichten lassen mich immer wissbegierig und nachdenklich zurück. Alle drei Erzählebenen sind ihr sehr gut gelungen, aber ganz besonders mochte ich die von Arthur. Die Aufmachung ist einfach wundervoll. Das Cover ist bereits eine Augenweide, die Geschichte sowieso mitreißend erzählt und nebenbei gibt es auch hin und wieder kleine Zeichnungen und Bilder zu entdecken. Empfehlen kann ich dieses Buch allen, die mehr erfahren möchten über die Eziden, über Mesopotamien und auch über das London von früher. Und für alle Fans der Autorin ist dieses Buch sowieso ein Muss! Einmal mehr konnte ich dem Alltag entfliehen und in eine komplett andere Welt abtauchen. Der Überraschungseffekt und die Wucht der Themen, derer sie sich annimmt, bleiben auch hier nicht aus.