Die Absurdität des Nordirlandkonflikts

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luisa_loves_literature Avatar

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„Amelia“ hat mich einiges an Kraft gekostet. Der Roman hat mich nicht gefesselt, über weite Strecken gelangweilt, mitunter ziemlich abgestoßen und angewidert und seine ständigen überzogenen Gewaltexzesse und Alkoholabstürze gingen mir irgendwann nur noch auf die Nerven. Der Roman ist im Wesentlichen eine Groteske, in der schlaglichtartig Schicksale (nicht nur das der Titelfigur Amelia) während der Jahre des Nordirlandkonflikts beleuchtet werden. Es gibt keine wirklich geordnete Handlung, der Roman springt von einem absurden Ereignis zum nächsten surreal anmutenden Erlebnis. Diese lockere Handlungsstruktur und die Tatsache, dass die Figuren allesamt zwischen Gewaltstürmen, Traumata, wahnhaften Momenten und Traumsequenzen oszillieren, verhindern, dass die Charaktere der Figuren wirklich ausformuliert werden, ein anhaltendes Interesse an ihnen oder gar eine Bindung zum Leser entsteht.
Amelia ist sprachlich sicherlich Kunst, allerdings muss man dafür derbe Sprache und das Obszöne zu schätze wissen und es mögen, dass viele Aspekte durch die sprachliche Haltung der Erzählinstanz ins Lächerliche gezogen werden. Ich tue das nicht, kann hier allerdings anerkennen, dass ein anderes Sprachregister für diese Mär der Grausamkeit wohl kaum geeignet gewesen wäre.

Insgesamt erscheint mir der gesamte Roman als eine Parabel der Unsinnigkeit von Gewalt und Hass, als eine schonungslose Enthüllung der Absurdität des Nordirlandskonflikts, der so viele Menschen tötete, verstört und zerstört zurückließ und nach seinem Abklingen bei den Betroffenen ein Vakuum und eine durchgreifende Orientierungslosigkeit zurückließ. Den Roman kann sicherlich nur jemand richtig wertschätzen, der sich mit den Untiefen des Konflikts und der jüngeren nordirischen Geschichte seit den 1960er Jahren auskennt – er wird wahrscheinlich in jedem einzelnen Kapitel den Bezug zu einer tatsächlichen Entwicklung der blutigen Auseinandersetzungen erkennen. Aber auch wenn man nur in groben Zügen in die Geschichte eingeweiht ist, macht der Roman die Sinnlosigkeit der Geschehnisse deutlich und stellt so eine Mahnung und Warnung dar. In dieser Hinsicht ist der Roman ein anspruchsvolles und literarisches Meisterstück, da er beim konstanten Rückbezug auf diese Deutungshypothese (gerade im letzten Drittel) ein spannendes Interpretationsfeld bietet. Aber auch wenn ich dies alles anerkenne: gefallen hat mir dieser Roman trotzdem nicht.